S.E.C.R.E.T. 1
Sichtfeld gehabt hatte. Meine Entscheidung, bei S.E.C.R.E.T. zu bleiben, bereute ich jedoch nicht. Ich entdeckte im Augenblick einfach viel zu viel über mich selbst, um jetzt aufhören zu können. Doch manchmal kamen mir seine Arme oder sein freches Lächeln in den Sinn, und die Erinnerung sandte süße Schauer durch meinen ganzen Körper.
Ich riss den braunen Briefumschlag auf. Ein kleinerer, kunstvoll gestalteter rutschte heraus. Außerdem befand sich meine Karte für Schritt vier darin. Das Wort Großzügigkeit war in eleganter Schrift auf die Rückseite gedruckt worden. In dem kleinen Umschlag war eine Einladung zu einem Dinner in der Villa am zweiten Freitag des Monats. Die Villa. Ein selbst gekochtes Essen. Das war in der Tat großzügig! Die Kleiderordnung war jedoch seltsam genau: Bitte trage eine schwarze Yogahose, ein einfaches, weißes T-Shirt, das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, Turnschuhe, aber keine Laufschuhe und sehr wenig Make-up. Ein Teil von mir war enttäuscht, dass ich zwar endlich die Villa betreten, aber keine sexy oder elegante Kleidung tragen durfte. Oh, na ja, wenigstens musste ich vorher nicht wieder shoppen gehen. Und endlich würde ich die Villa von innen sehen, jenen mythischen Ort, der meine Fantasie auf gute, aber auch leicht beängstigende Weise beflügelte.
Meine Gedanken wurden durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Will! Ich hatte versprochen, ihn auf eine Auktion für Restaurantbedarf in Metairie zu begleiten. Wir brauchten neue Tabletts, neue Stühle, um die kaputten zu ersetzen, und einen stabileren Küchen-Vorbereitungstisch, denn unserer war plötzlich ganz schief – obwohl keiner wusste, wie das passiert sein konnte. Will war auch auf der Suche nach einer Teigknetmaschine und einer Fritteuse, damit wir anfangen konnten, unser eigenes Gebäck oder vielleicht sogar Beignets herzustellen. Normalerweise hätte er Tracina gebeten, ihn zu begleiten. Aber ihr Knöchel war noch immer nicht ganz in Ordnung. Sie benötigte zwar keine Krücken mehr, bewegte sich dennoch nur humpelnd durchs Café, sodass Will stets Schuldgefühle wegen des Unfalls hatte. Sie deutete sogar scherzhaft an, dass sie ihn verklagen würde, wenn sie nicht mit ihm ginge. Ich war mir nicht sicher, ob diese Bemerkung tatsächlich immer scherzhaft gemeint war. Für diesen Tag jedenfalls sollte ich Wills Ersatzfreundin sein.
»Komme sofort!«, rief ich. Ich legte den Umschlag in meine Mappe, schob die Mappe unter die Matratze und raste zur Tür, gerade noch rechtzeitig, um Wills zweites Klopfen zu unterbrechen.
Er trug das dunkelrote Hemd, das Tracina ihm gekauft hatte und das mir am besten an ihm gefiel. Sosehr sie mir auch auf die Nerven ging, ich musste zugeben, dass sie ihn dazu brachte, sich deutlich besser zu kleiden. Sie hatte ihn sogar überredet, sich das Haar etwas kürzer schneiden zu lassen.
»Hi! Komm rein.«
»Ich steh mit dem Auto in der zweiten Reihe. Komm einfach runter, wenn du fertig bist. Hast du mein Hupen nicht gehört?«
»Sorry, nein, ich habe … staubgesaugt.«
Will sah sich in meinem unordentlichen, nicht gesaugten Wohnzimmer um. »Na gut«, sagte er. »Ich bin unten.«
Auf der kurzen Fahrt war Will distanziert und fahrig. Sobald die Musik ihm nicht gefiel oder ein gutes Lied von einem lauten Werbespot abgelöst wurde, schaltete er einen anderen Sender ein.
»Du bist heute ganz schön nervös«, bemerkte ich.
»Ich bin ein bisschen neben der Spur, glaube ich.«
»Und warum?«
»Was kümmert dich das?«
»Was meinst du denn damit? Ich bin deine Freundin. Da kann man ja wohl mal fragen.«
Danach schwieg Will eine halbe Meile lang komplett.
Ich wandte mich schließlich von ihm ab und sah aus dem Fenster. Aber irgendwann hielt ich es dann doch nicht mehr aus. »Ist zwischen dir und Tracina alles okay? Ich habe euren kleinen Streit vor dem Auto neulich mit angesehen.«
»Alles im grünen Bereich, Cassie. Danke der Nachfrage.«
Wow. Ich konnte mich nicht erinnern, dass Will jemals so kurz angebunden gewesen war. »Okay«, antwortete ich. »Ich frage nicht weiter. Aber wenn ich gewusst hätte, dass du heute so eine beschissene Gesellschaft bist, wäre ich ni cht mitgekommen. Es ist Sonntag. Mein freier Tag, erinnerst du dich? Ich dachte, das hier könnte etwas Spaß machen, aber –«
»Tut mir leid«, unterbrach er mich. »Du hast also keinen Spaß? Ich sollte vielleicht etwas härter arbeiten, damit du Spaß haben kannst. Sollte ich vielleicht auch
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