S.E.C.R.E.T. 1
Wohnhaus. Im Erdgeschoss bewegte sich die Spitzengardine. Arme Anna. Das verwirrte sie jetzt sicherlich noch mehr.
In der Limousine befand sich ein Sektkühler mit Champagner und Wasser. Ich nahm mir die Wasserflasche, denn ich wollte nicht halb betrunken ankommen. Es war neunzehn Uhr, und es herrschte nur wenig Verkehr, sodass wir in null Komma nichts vor dem Hauptquartier von S.E.C.R.E.T. ankamen. Normalerweise betrat ich das Grundstück immer durch das Tor abseits der Straße zum Kutschenhaus. Diesmal öffnete sich automatisch das Doppeltor, das direkt zur Villa führte. Wir fuhren am Kutschenhaus vorbei. Über die weinbewachsene Mauer hinweg konnte ich erkennen, dass alle vier Mansardenfenster hell erleuchtet waren. Ich fragte mich, welche Art von Arbeit an einem Freitagabend dort erledigt wurde, welche Szenarien für mich und vielleicht andere Frauen dort erdacht wurden, die die Schritte ebenfalls durchliefen. Gab es mehr als eine Frau? War ich die einzige? Es gab so viele Fragen, die Matilda nicht beantworten würde, solange ich kein S.E.C.R.E.T. -Mitglied war.
Das Grundstück um die Villa herum war im Gegensatz zu dem überwucherten Innenhof des Kutschenhauses gepflegt und makellos. Das kurz geschnittene Gras wirkte in dem grünlichen Licht fast künstlich. Die Luft duftete schwer und süß nach den Rosen, die sich an den Mauern der Villa emporrankten. Die Blumen wirkten wie eine gigantische Krinoline in Pink, Gelb und Weiß. Das Gebäude hatte eine italienische Fassade, typisch für einige der Herrenhäuser in der Nachbarschaft, mit breiten, weißen Säulen. Und doch war die Villa irgendwie ganz anders als die übrigen Häuser in der Gegend. Obwohl sie schön war, wirkte sie reserviert und steif, etwas zu perfekt. Das ganze Gebäude war mit zartgrauem Stuck verziert. Ringsum war es von einer Veranda umgeben. Die Balkontüren im zweiten und dritten Stock waren von reich verzierten französischen Balkonen begren zt, die den Plätzen darunter an warmen Tagen Schatten spendeten. Das ganze Haus wurde innen von einem warmen Dämmerlicht erleuchtet, das gleichermaßen einladend wie fremd wirkte. Wir fuhren an einem Seiteneingang vor. Der Kiesweg führte weiter über einen sanften Hügel, über den man offenbar wiederum zu einer Garage im Hinterhof gelangte. Das Ganze wirkte wie ein märchenhafter Ort, den man nie wieder verlassen wollte, an dem man aber auch niemals wirklich leben konnte.
Eine Frau in schwarz-weißer Uniform erschien an dem Seiteneingang. Sie winkte. Ich ließ das hintere Fenster der Limousine herunter.
»S ie müssen Cassie sein«, sagte sie. »Ich heiße Claudette. «
Ich hatte mich daran gewöhnt, darauf zu warten, dass der Fahrer ausstieg und mir die Tür öffnete. Als ich heraustrat, entdeckte ich ein paar Bodyguards, die auf dem Grundstück umherwanderten. Sie trugen maßgeschneiderte Anzüge und dunkle Sonnenbrillen. Einer von ihnen sprach in ein Headset.
Claudette sagte: »Er wartet in der Küche auf Sie. Er hat nicht allzu viel Zeit, aber er freut sich schon auf Sie.«
»Wer ist er ?«, fragte ich und folgte ihr. Und was meinte sie mit: Er hat nicht allzu viel Zeit? War das hier nicht meine Fantasie?
»Sie werden schon sehen«, antwortete sie und legte mir beruhigend die Hand auf die Schulter, während sie mich durch die Tür führte.
Marmorboden in schwarz-weißem Hahnentrittmuster zierte den Flur ins Innere. Aus einem kleinen Brunnen, der von zwei Putten flankiert wurde, ergoss sich Wasser in einen flachen Teich. Pfingstrosen steckten in riesigen Vasen. Ich erhaschte einen Blick auf das beeindruckende Foyer zu meiner Rechten. Ein weiterer Bodyguard saß Zeitung lesend auf einem Stuhl am Fuße einer Treppe.
»Warum warten Sie nicht draußen«, schlug Claudette ihm vor.
Der große Mann zögerte, bevor er sich von seinem Stuhl erhob.
Wir schritten einen langen Flur entlang, wobei wir dem Klang von lautem Hip Hop oder Rap folgten – den Unterschied konnte ich nicht erkennen. Mein Herz pochte wie wild. Ich fühlte mich schrecklich underdressed an diesem Ort und fragte mich, warum sie mich in einem solch einfachen Outfit herbestellt hatten. Die Bodyguards, der enge Terminplan, die Musik – das alles war sehr verwirrend. Wir gingen, wie ich vermutete, in den hinteren Teil des Hauses, vorbei an ein paar vornehmen Sesseln. Die Musik wurde lauter, als wir uns ein paar Eichentüren näherten. Ich bemerkte, dass die runden, dort eingelassenen Fenster mit schwarzem Seidenpapier
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