S.E.C.R.E.T. 1
verändert. Ich habe ihm nie gesagt, wie erleichtert ich insgeheim war, dass ich keine Kinder bekommen konnte. Eine Leihmutter wäre eine Möglichkeit gewesen, aber das war für unser schmales Budget zu kostspielig, und Gott sei Dank war Scott nicht scharf auf eine Adoption. Ich wollte niemals Mutter sein. Aber ich hoffte auf einen Lebenssinn. Auf etwas, das die Leere ausfüllen würde.
Ein paar Monate, nachdem ich im Café angefangen hatte und lange Zeit, bevor ihm Tracina das Herz stahl, erzählte Will mir, dass er Eintrittskarten für eine sehr begehrte Show beim Jazz-Festival hatte ergattern können. Zuerst glaubte ich, er wolle mir von einer Freundin berichten, für die er die Karten besorgt hatte. Dann stellte sich heraus, dass er mit mir dorthin wollte.
Ich geriet in Panik. »Also … du fragst mich, ob ich mit dir ausgehe?«
»Äh … ja.« Wieder war da dieser Blick in seinen Augen. Für einen Moment glaubte ich, dass er verletzt war. »Erste Reihe, Cassie. Komm schon. Wäre mal eine gute Gelegenheit, ein Kleid anzuziehen. Wenn ich so darüber nachdenke, hab ich dich eigentlich noch nie im Kleid gesehen.«
Da wusste ich, dass ich der Sache gleich ein Ende machen musste. Ich konnte nicht mit ihm ausgehen. Ich konnte nicht mit ihm ausgehen. Mit meinem Boss . Unter gar keinen Umständen wollte ich einen Job, den ich wirklich mochte, für einen Mann aufgeben, der, wenn er ein bisschen Zeit mit mir verbracht hatte, unweigerlich entdecken würde, wie langweilig ich tatsächlich war. Außerdem spielte ich so gar nicht in seiner Liga. Ich war gelähmt vor Angst und von der Aussicht, mit ihm allein zu sein, außerhalb unseres normalen Arbeitsverhältnisses.
»Du hast mich noch nicht im Kleid gesehen, weil ich keines besitze«, antwortete ich.
Das stimmte nicht. Ich konnte mir nur nicht vorstellen, eins anzuziehen.
Will schwieg ein paar Sekunden. Dann wischte er sich die Hände an der Schürze ab. »Kein Problem«, sagte er. »Es gibt viele Menschen, die diese Band sehen wollen.«
»Sieh mal, Will. Ich glaube, ich war so viele Jahre mit einem solchen Wrack verheiratet, dass ich jetzt sozusagen … beziehungsunfähig bin.« Ich klang wie eine Psychologin im Abendradio.
»Das hast du aber hübsch gesagt. ›Es liegt nicht an dir, sondern an mir.‹«
»Aber das tut es. Wirklich!« Ich legte ihm die Hand auf den Arm.
»Dann werde ich wohl das nächste attraktive Mädchen fragen müssen, das ich einstelle«, scherzte er.
Und das tat er. Er fragte die atemberaubende Tracina aus Texarkana. Tracina mit dem Südstaatenakzent und den endlos langen Beinen. Sie hatte einen jüngeren, autistischen Bruder, um den sie sich hingebungsvoll kümmerte, und besaß mehr Cowboystiefel als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Sie wurde für die frühe Abendschicht eingestellt. Und obwohl sie sich mir gegenüber immer etwas kühl gab, kamen wir einigermaßen gut miteinander klar. Sie schien Will glücklich zu machen. Wenn ich mich nun nach der Arbeit von ihm verabschiedete, fühlte ich mich doppelt allein. Ich wusste, dass er den Abend und die Nacht wahrscheinlich bei Tracina verbringen würde und nicht in der Etage über dem Café. Nicht, dass ich eifersüchtig gewesen wäre. Wie auch? Tracina war genau die Art von Mädchen, die gut für Will war: witzig, klug und sexy. Sie hatte ebenmäßige, kakaofarbene Haut. Manchmal ließ sie ihre Afrolocken wie eine wilde Mähne aus Zuckerwatte auf die Schultern fallen, ein andermal zähmte sie sie fachmännisch durch coole Zöpfe. Tracina war begehrt. Tracina war lebhaft. Tracina passte hierhin und hierzu. Ich tat das schlicht und ergreifend nicht.
An diesem Abend, während das Notizbuch immer noch warm in meiner Bauchtasche verborgen lag, beobachtete ich, wie Tracina sich auf den abendlichen Ansturm vorbereitete. Zum ersten Mal gestand ich mir ein, etwas eifersüchtig auf sie zu sein. Nicht, weil sie Will hatte. Ich war neidisch auf die Leichtigkeit und die Anmut, mit der sie sich durch den Raum bewegte. Manche Frauen hatten das einfach, die Fähigkeit, sich direkt ins Leben zu stürzen – und dabei auch noch so gut auszusehen. Sie gehörten nicht zu den Beobachtern, sie standen mitten drin. Sie waren … lebendig. Will hatte sie gefragt, ob sie mit ihm ausgehen wolle, und sie hatte geantwortet: »Liebend gern.« Kein Zieren, keine Mehrdeutigkeiten, nur große, runde Augen.
Ich dachte an das Notizbuch. An die Worte, die ich überflogen hatte. An diesen Mann am Tisch. An die Art, wie
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