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S.E.C.R.E.T. 1

S.E.C.R.E.T. 1

Titel: S.E.C.R.E.T. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. Marie Adeline
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Mädchen die Treppen hinaufstampften, ohne durch die alten Bodendielen zu fallen, sodass ganz sicher auch zwanzig Kunden hier in aller Ruhe sitzen und essen konnten, ohne jemals in Gefahr zu geraten.
    In diesem Jahr fragte Tracina mich nicht und verzichtete aus familiären Gründen sogar selbst. Will berichtete mir, dass der Zustand ihres Bruders mit dem beginnenden Erwachsenenalter schlimmer wurde und immer schwerer zu handhaben war. Ich nahm mir vor, daran zu denken, wenn ich sie mal wieder kritisieren wollte.
    Dennoch war ich überrascht, dass jetzt Will es war, der mich zur Mitwirkung bei Les Filles überreden wollte. »Komm schon, Cassie. Wer sonst sollte das Rose bei der Revue vertreten?«
    »Dell. Sie hat wirklich hübsche Beine«, antwortete ich und mied seinen Blick, während ich die Kaffeemaschine abwischte.
    »Aber –«
    »Nein. Das ist mein letztes Wort.« Energisch warf ich eine Palette leerer Milchkartons in den Müll, um meiner Entscheidung Nachdruck zu verleihen.
    »Feigling«, neckte Will mich.
    »Ich muss Ihnen mitteilen, Mr. Foret, dass ich in diesem Jahr einige Dinge getan habe, bei denen Ihnen vor Angst die Zähne klappern würden. Zufällig kenne ich also die Grenzen meines Mutes. Und das bedeutet, dass ich nicht bereit bin, vor einer Horde betrunkener Typen meine Titten wippen zu lassen.«
    Am Abend der Revue übernahm ich zum zweiten Mal in dieser Woche für Tracina die Feierabendschicht. Um Punkt acht Uhr stellte ich die Stühle auf die Tische, damit darunter gewischt werden konnte. Die Tänzer probten oben gerade ein letztes Mal. Es klang wie ein Dutzend wilder Ponys, das über meinem Kopf losgelassen worden war. Ich konnte hören, wie jede Einzelne der »Filles« zu ausgelassenem Gelächter, Gejohle und Pfeifen ihre individuelle Nummer vor der Gruppe aufführte. Das vertraute Gefühl der Einsamkeit und Unterlegenheit überkam mich, hinzu der Gedanke, dass ich mich bei so einer Show nur lächerlich machen würde. Mit meinen fünfunddreißig, fast sechsunddreißig Jahren wäre ich die älteste Tänzerin, dicht hinter Steamboat Betty und Kit DeMarco. Kit war Bardame im Spottet Cat und konnte sich mit ihren einundvierzig Jahren immer noch eine freche, blau gefärbte Kurzhaarfrisur und abgeschnittene Jeans leisten. Steamboat Betty arbeitete in dem alten Zigarettenkiosk in Snug Harbor und trug angeblich schon seit sechsunddreißig Jahren alljährlich das gleiche Clowns-Kostüm, wobei sie niemals vergaß zu erwähnen, dass es ihr immer noch – gewissermaßen – passte. Außerdem hätte ich auf gar keinen Fall neben Angela Rejean tanzen können, einer bildschönen Göttin aus Haiti, die als Bedienung im Maison und nebenbei als Jazz-Sängerin arbeitete. Ihr Körper war dermaßen vollkommen, dass sie absolut konkurrenzlos war.
    Nachdem ich alles erledigt hatte, lief ich die Treppe hinauf, um die Schlüssel Kit zu geben. Sie hatte angeboten, abzuschließen, wenn sie fertig waren. Die Show sollte erst nach zweiundzwanzig Uhr beginnen. Die Mädchen würden bis zur letzten Minute proben. In der Zwischenzeit wollte ich nach Hause und duschen. Ich hatte gehofft, Will später bei der Show zu sehen. Aber als ich ihn tagsüber gefragt hatte, ob Tracina und er sich die Aufführung wenigstens ansehen würden, hatte er lediglich unverbindlich mit den Achseln gezuckt.
    Der zweite Stock war ein großer, leerer Saal und eignete sich perfekt zum vorübergehenden Probenraum. Wir schlossen früh, waren nur wenige Häuser vom Blue Nile entfernt, wo die Aufführung in diesem Jahr stattfinden sollte, und d as Bad war nagelneu, obwohl immer noch eine Tür fehlte.
    Oben auf der Treppe ging ich an einem neuen Mädchen mit blonden Ringellocken vorbei, das mit gekreuzten Beinen auf dem Boden saß und einen Spiegel in der Hand hielt. Mit geschickter Präzision klebte sie sich falsche Wimpern an. Ich konnte nicht beurteilen, ob ihr Haar eine Perücke oder echt war, aber es war faszinierend. Ein Dutzend weitere Mädchen in verschiedenen Bekleidungsstadien saßen oder standen herum. Sie alle machten sich für den großen Abend bereit. Mäntel stapelten sich auf der alten Matratze, die Will auf dem Boden liegen hatte und auf der er manchmal schlief. Neben der Matratze bestand das einzige Mobiliar hier aus einem zerbrochenen Holzstuhl. Will saß manchmal rittlings darauf, gedankenversunken, mit dem Kinn auf der Lehne.
    Einige Frauen, eine oben ohne, reckten vor dem Badezimmerspiegel die Hälse und trugen Theaterschminke auf.

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