S.E.C.R.E.T.
kein außenstehender Voyeur mehr. Ich stand mitten im Geschehen.
Aber trotz dieser erregenden Szenarien hatte ich begonnen, von einer bestimmten Art von Sex zu träumen, die mir bisher versagt geblieben war. Ich wollte … na ja, ich wollte einen Mann in meinem Inneren. Dort . Langsam fiel es mir leichter, mir selbst einzugestehen, dass ich mir etwas wünschte.
Viel schwieriger jedoch war es, dies Matilda gegenüber laut zuzugeben, die mir später an jenem Tag im Tracy’s auf der Magazine Street gegenübersaß. Das war jetzt unser regelmäßiger Treffpunkt, und nicht nur deshalb, weil es ganz in der Nähe der Villa lag. In der lärmenden Sport-Bar-Atmosphäre gab es keine Zeugen.
Heute würde ich sie fragen, warum keiner der Männer es mit mir hatte tun wollen. Natürlich interpretierte mein Verstand das als Zurückweisung, was auf die Ängste aus meiner Ehe mit Scott zurückzuführen war. Wie oft hatte er mir das Gefühl gegeben, unerwünscht zu sein. So langsam begann ich zu verstehen, dass die Verwirklichung erotischer Fantasien auf Gegenseitigkeit beruhte. Deshalb befürchtete ich, für die Männer, mit denen ich zusammenkam, vielleicht doch nicht die »Erfüllung ihrer Träume« zu sein. Mit einem Wort: Ich befürchtete, nicht begehrenswert zu sein.
»Unsinn, Cassie! Du bist sogar sehr begehrenswert!«, sagte Mathilda etwas zu laut während einer plötzlichen Musikpause. Flüsternd fügte sie hinzu: »Willst du damit sagen, dass du mit den jeweiligen Szenarien nicht glücklich bist?«
»Nein! Es gibt nichts zu meckern«, versicherte ich. »Im Gegenteil, sie versetzen mich immer wieder in Erstaunen. Aber warum wollte bislang keiner … Du weißt schon?«
»Cassie, es gibt einen Grund, warum wir bis jetzt nicht bis zum Äußersten gegangen sind«, erklärte sie. »Bei einigen Frauen verwandelt sich der Sex in Liebe. Ihre Gefühle verfangen sich in der Ekstase. Sie vergessen, dass die körperliche Lust und Liebe zwei verschiedene Dinge sein können. Wir versuchen ja schließlich nicht, dir dabei zu helfen, dich in einen Mann zu verlieben. Das ist offensichtlich nicht nötig. Wir wollen, dass du dich erst mal in dich selbst verliebst. Danach bist du in einer viel besseren Position, um dir einen Partner zu suchen. Den Richtigen. Einen wirklichen .«
»Willst du damit sagen, dass ich in meinen Fantasien keinen Sex haben kann, weil ihr befürchtet, dass ich mich verlieben könnte?«
»Nein. Ich meine damit, dass wir damit warten müssen, bis du begriffen hast, welche Streiche dein Körper deinem Verstand spielen kann. Sex führt zu chemischen Reaktionen, die leicht mit Liebe verwechselt werden können. Solange wir diese physische Komponente nicht ergründet haben, kommt es zu zahllosen Missverständnissen und unnötigem Leid.«
»Ich verstehe«, antwortete ich und sah mich an der Bar um, an der hauptsächlich Männer saßen, die mit anderen Männern ein Bier tranken. Dick, klein, jung oder alt. Ich hatte mich immer schon gefragt, wie es möglich war, dass manche Typen einfach mit einer Frau schlafen konnten, ohne sich innerlich an sie zu binden. Wahrscheinlich war es nicht ihr Fehler. Es war eine chemische Angelegenheit.
Matilda hatte recht. Ich verguckte mich nur allzu leicht in jemanden. Ich hatte immerhin den ersten Mann geheiratet, mit dem ich Sex gehabt hatte, weil mein Körper mir gesagt hatte, dass es das Richtige sei. Dass es das Einzige sei, was ich tun sollte, obwohl mein Verstand schon damals gewusst hatte, dass es absolut falsch war. Tatsächlich wäre ich sogar an der Jesse-Haltestelle fast aus dem Zug gestiegen, weil er mit mir geredet und mich zum Lachen gebracht hatte. Und weil er einfach herrlich küssen konnte.
»Cassie, bitte mach dir nicht so viele Sorgen. Aber glaub mir, wenn ich dir versichere, dass es hierbei ausschließlich um Sex geht. Um Lust und Sex. Liebe, mein Herzchen, ist eine vollkommen andere Angelegenheit.«
Meine nächste Fantasie-Karte kam erst fast sechs quälend lange Wochen später. Der Hitzewelle folgte eine Sturmwarnung. Das Wetter war ein Spiegel meiner Frustration. Man erinnerte mich daran, dass ich für die Absolvierung der Schritte ein ganzes Jahr Zeit haben würde. Sie versuchten, die jeweiligen Ereignisse gleichmäßig über das Jahr zu verteilen. Aber sogar Matilda gab in einem kurzen Telefonat zu, dass sechs Wochen ein ungewöhnlich langer Zeitraum waren. »Geduld, Cassie. Manche Dinge kann man nicht forcieren.«
Ein paar Tage später klingelte ein Kurier
Weitere Kostenlose Bücher