Seegrund
hier draußen!«
Seine Kollegin zündete sich einen Zigarillo an und machte auf dem Absatz kehrt. Während sie durch den Schnee das Ufer entlang stapfte, hörten ihre Kollegen noch, wie sie ihnen hinterher schimpfte: »Stimmt schon. Hier kann man wenigstens rauchen, da sind keine erkälteten Heulsusen in der Nähe.«
Kluftinger und Strobl führten den Wissenschaftler mehr, als dass er selbst ging. Als sie das Lokal betraten, kam ihnen der Wirt entgegen, der beim Anblick der Polizisten schlagartig erbleichte. Strobl beruhigte ihn jedoch mit den Worten, dass man nichts von ihm wolle, sondern nur ein warmes Plätzchen für ein Gespräch suche.
»Drei Obstler und drei Portionen Kaffee, Herr Scheff …«, rief Kluftinger, wobei er die letzten Silben des unaussprechlichen Namens vernuschelte. Er war sich sicher: Leichter würde man Japanisch lernen als leidlich Ungarisch zu sprechen.
»No, bring itsch …«
Nachdem sie auf einer Eckbank Platz genommen hatten, klopfte Kluftinger dem Professor auf die Schulter und riet: »Jetzt trinken sie erst mal einen Schnaps, das wird Ihnen gut tun.« Dabei musterte er Guthknecht von der Seite. Er hatte ihn anfangs nicht gemocht, weil er so abweisend und unkooperativ gewesen war. Außerdem hatte er mit promovierten Akademikern nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht – weder beruflich noch privat. Kurzzeitig hatte er sogar den Verdacht gehegt, Guthknecht könne etwas mit der Sache zu tun haben. Doch jetzt tat er ihm eher leid; es schien dem Wissenschaftler tatsächlich immer nur um sein Projekt gegangen zu sein.
Er ließ ihm noch die Zeit, das Glas mit dem Obstler, das der Wirt mit den Worten »No, zaubert Wärme von Puszta rein!« gebracht hatte, zu leeren und kräftig zu husten, dann hob der Kommissar an: »Herr Guthknecht, alles hat damit angefangen, dass ich einen vermeintlichen Studenten Ihres Teams hier am See gefunden habe und im Schnee dieses rätselhafte Zeichen. Unsere Ermittlungen haben mich in den letzten Tagen eigentlich immer mehr vom Alatsee weggeführt. Doch nun sind wir wieder hier und wenn eines klar ist, dann das: Was gestern Nacht hier passiert ist, hat unmittelbar mit der Geschichte von vorletzter Woche zu tun.«
Der Professor blickte ihn mit einer Mischung aus Erwartung und Entsetzen an.
Strobl fuhr fort: »Ich denke, auch Sie werden bestätigen, dass irgendjemand um jeden Preis verhindern will, dass wir das Geheimnis dieses Sees lüften. Die Frage ist nur, und wir bitten Sie, gründlich darüber nachzudenken: warum?«
Guthknecht blickte sie lange an. Dann senkte er den Blick und begann zu sprechen: »Ich will niemanden verdächtigen, wirklich nicht. Ich bin Forscher und hatte noch nie mit der Polizei zu tun. Ich weiß nichts von Motiven oder so etwas. Aber eins ist klar: Es hat sehr, sehr lange gedauert, dieses Projekt hier bewilligt zu bekommen. Viele wollten hierher, allen wurde es verboten. Ich habe nie ganz begriffen, warum, aber es gab wohl aus historischen Gründen gewisse Vorbehalte. Weswegen genau hat mich, ehrlich gesagt, nie interessiert. Ich bin kein Historiker. Vielleicht stimmt es, was man uns nachsagt, und wir sind ein bisschen zu sehr Fachidioten.«
Kluftinger und Strobl blickten sich an. »Das war alles?«, fragte Strobl. »Wegen geschichtlicher Vorbehalte hat man Ihnen den Zugang zum See verweigert? Und das reichte als Begründung aus? Fadenscheinig, finden Sie nicht?«
»Nicht ganz. Das heißt: Ich weiß natürlich nicht, wie stark die Gewichtung der einzelnen Beweggründe war. Aber es gab auch Bedenken bezüglich der Ausrüstung. Es sei ein sehr sensibles Ökosystem, es sei zu gefährlich, hier zu tauchen … ich kann Ihnen eine ganze Liste von derartigen Hinderungsgründen nennen.«
Die Kommissare nickten. Bisher hatte er ihnen nichts Neues erzählt.
»Alles in allem scheint es«, vermutete Guthknecht, »dass niemand ein wirkliches Interesse daran hatte, den Dingen hier auf den Grund zu gehen.«
»Eine schöne Formulierung«, fand Strobl und Kluftinger stimmte spöttisch grinsend zu.
»Die Folge war, dass der See für die Wissenschaft an Bedeutung verloren hat, etwas in Vergessenheit geriet. So eine Sensation war er ja auch wieder nicht. Dachten wir jedenfalls, auch wenn ich dieses Urteil nach meinen bisherigen Ergebnissen revidieren muss.« Als der Professor auf seine Forschung zu sprechen kam, stockte sein Redefluss und ein Seufzer entfuhr seinen Lippen. Kluftinger hoffte, dass er jetzt nicht wieder ein Lamento über seine
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