Seegrund
damit schlagartig verstummen.
»Und selbst wenn wir das gehabt hätten, hätte es heute keine Relevanz mehr. Das ist über sechzig Jahre her, was wollen Sie denn?«
Der Kommissar ließ nicht locker: »Herr Appel, Sie wollten gerade etwas sagen. Lassen Sie sich nur nicht unter Druck setzen. Was wollten Sie uns erzählen?«
Appel sah nervös zu seinen Begleitern, die ihn mit grimmiger Miene fixierten. Dann blickte er zu Boden und sagte leise: »Wissen Sie … wir alle sind seit den Jahren enge Freunde. Aber …«
Kluftingers Nerven waren aufs Äußerste gespannt. Hatte er ihn so weit? Würde er sagen, was er wusste?
»Wie dem auch sei: Josef hat völlig Recht.« Die letzten Worte begleitete er mit einem kaum merklichen Kopfschütteln, das Kluftinger klar machte, dass nun auch bei Appel, der eine Weile geschwankt hatte, nichts mehr zu holen sein würde.
Dem Kommissar blieb nichts anderes übrig: Er versuchte es mit einem Bluff. »Gut, Sie wissen wahrscheinlich, meine Herren, dass oben am See gerade ein Forscherteam aus München zu Gange ist. Dabei sind schon einige Fakten ans Licht gekommen, die Sie uns jetzt noch vehement zu verschweigen versuchen …«
Die Alten blieben ungerührt.
»Wissen Sie, selbst wenn es da etwas gäbe, was herauskommen könnte – dieser Wunsch, den Seegrund zu erforschen, existiert seit Jahrzehnten«, sagte Werner Ulbricht in ruhigem Ton. »Und immer ist etwas dazwischengekommen. Warum also nicht jetzt auch wieder? Die Wahrscheinlichkeit, dass es diesmal klappt, ist denkbar gering, meine ich.«
Der Bauunternehmer, über dessen Namen sie gestern noch gescherzt hatten, hatte seit der Begrüßung nichts mehr gesagt. Seine großen schwieligen Hände lagen ruhig auf dem Tisch.
»Verkaufen Sie uns mal nicht für dumm hier! Meinen Sie, wir wissen nicht, was hier gespielt wird?«, brach es nun trotz der Abmachung, dass Kluftinger das Wort führen sollte, aus Friedel Marx heraus. Dem Kommissar war klar, dass sie mit dieser zwar nachvollziehbaren, taktisch aber völlig unangebrachten Emotionalität genau das Gegenteil dessen erreichte, was sie eigentlich wollte.
Jetzt der Laub-Ober, der zweithöchste Trumpf, dachte er sich. »Ist Ihnen klar, dass der echte Jochen Bühler gerade unterwegs nach Deutschland ist, Herr Röck? Es würde mich sehr wundern, wenn uns der nicht einige interessante Details über Sie und Ihren Sohn verraten könnte.« Er ließ einen kurzen Augenblick verstreichen, bevor er dem alten Röck direkt in die Augen sah.
Der aber blickte ungerührt zurück. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, fragte er: »Wer bitte ist Jochen Bühler?«
Kluftinger entging nicht, dass Appel leicht zusammengezuckt war und nun wieder deutlich nervöser auf seinem Stuhl herumrutschte.
Die anderen schwiegen. Aalglatte Typen waren das, dachte Kluftinger, so harmlos und integer sie auch aussehen mochten. Nirgends bekam er sie zu fassen. Er musste nun seinen höchsten Trumpf ziehen. Er griff in eine schwarze Eckspannermappe, zog ein Foto heraus und legte es wortlos den Alten vor. Appel fingerte als Erster danach, da riss es ihm Gmeinder bereits aus der Hand.
Die Beamten sahen schweigend zu, wie das Bild des ominösen Zeichens die Runde machte und Tassilo Wagner es wortlos wieder auf den Tisch legte.
Keiner sprach. Keiner verzog eine Miene. Die Kontrahenten taxierten sich wie beim Pokerspiel. Wer zuerst die Karten auf den Tisch legte, hatte verloren. Die einzige Möglichkeit, weiter zu kommen, schien ihm, dass die Allianz der Alten an ihrer schwächsten Stelle auseinanderbrach. Appel würde der Erste sein, der zu reden anfing.
»Also, jetzt sagen Sie endlich was dazu!«, sagte Maier.
Ruckartig gingen die Blicke der Polizisten zu ihm.
»Nun?«, fragte Gmeinder mit einer fast väterlichen Milde, »was möchten Sie uns denn sagen, Herr Kommissar?«
Bevor Maier antworten konnte, kam ihm Kluftinger zuvor: »Es ist doch kein Zufall, dass dieses Zeichen immer im Zusammenhang mit einem von Ihnen auftaucht! Bei Ihrem Laden, Herr Appel, Herr Wagner, in Ihrem Festspielhaus. Was bedeutet es? Und vor allem: Wollte uns das Opfer durch das Zeichen die Täter verraten? Eine Handvoll alter Männer, die im Krieg Gott weiß was zusammen getrieben haben?«
»Ach Gott, verfolgen Sie jetzt eine Verschwörungstheorie?« Röcks Lippen umspielte ein Lächeln. »Haben Sie schon mal an einen Zufall gedacht?«
»Was ganz anderes: Die meisten Ihrer damaligen Kameraden weilen heute nicht mehr unter uns. Einige
Weitere Kostenlose Bücher