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Seehaie

Seehaie

Titel: Seehaie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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verzogen.
    Wieso so plötzlich, einen Tag nach dem Freitod ihres
Mannes? Und weshalb gerade dorthin? Hatte sie ihnen nicht etwas von
finanziellen Problemen erzählt? Da passte einiges nicht zusammen. In Wolfs Kopf
begann eine Alarmglocke zu schrillen.
    Fast gleichzeitig schrillte auch sein Handy. Jo war
dran. »Sie sollten demnächst den Rückweg antreten, Chef. Kriminalrat Patzlaff
will Sie sprechen. Dringend. Außerdem brauchen wir Sie hier wegen unserer
rumänischen Kunden. Der Bericht der Spurensicherung liegt jetzt vor.«
    »Eigentlich hätte ich noch in Weingarten zu tun … aber
das müssen wir dann wohl auf morgen verschieben.«
    »Ich denke, Sie sind in Ludwigshafen, bei der Ploc?«
    »War ich auch. Sieht inzwischen so aus, als würde doch
mehr hinter der Sache stecken, aber dazu später. Leiere auf jeden Fall schon
mal die KTU von Plocs Leiche an.« Er brach das
Gespräch ab, um sich weitere Fragen zu ersparen.
    ***
    Es
wäre maßlos übertrieben, die Unterredung mit Kriminalrat Patzlaff als
harmonisch zu bezeichnen. Das Verhältnis der beiden war äußerst gespannt, seit
Patzlaff Wolf vor zwei Jahren zum vorzeitigen Ruhestand gedrängt hatte. Wolf
ahnte, warum. Nach Patzlaffs Geschmack hatte er zu viele Ecken und Kanten,
passte einfach nicht mehr in die Zeit – und schon gar nicht in Patzlaffs Kripo!
Vor allem die Marotte mit dem Barett schien ihm auf den Keks zu gehen.
    Das Ansinnen, vorzeitig den Dienst zu quittieren,
hatte Wolf damals barsch zurückgewiesen – gegen seine eigenen Interessen, denn
als durch und durch frankophiler Typ hätte er sich mehr Zeit für seine Reisen
ins westliche Nachbarland gewünscht. Dafür, dass er mit seinem »Nein« dem
ungeliebten Vorgesetzten eins auswischen konnte, nahm er das Opfer jedoch gerne
in Kauf.
    Obwohl er Patzlaff ein Dorn im Auge war, saß Wolf am
längeren Hebel. Seine Erfolge ließen sich nämlich nicht so einfach wegreden. Er
wusste, er galt als Vollblutkriminalist, der Zusammenhänge früher als andere
erkannte, der einen Riecher für Tatabläufe und Täterprofile hatte, der bei der
Lösung seiner Fälle auf eine intuitive Kombination aus Menschenkenntnis,
kriminalistischer Erfahrung und zielgerichteter Beharrlichkeit setzte und damit
überraschende Ergebnisse erzielte.
    Kein Wunder, dass Patzlaff häufig den Kürzeren zog.
Auch diesmal hatte er sich nicht durchsetzen können. Der Vorwurf, im Fall der
rumänischen Tresorbande nicht engagiert genug zu ermitteln, war an Wolf
abgeprallt. Mehr noch: Er hatte den Ball zurückgespielt und erreicht, dass die
Zuständigkeit für diese Geschichte ab sofort zum D3 überwechselte. Dafür sollte
sich sein Dezernat um den reichlich dubios scheinenden Selbstmord des polnischen
Lkw-Fahrers kümmern.
    Entsprechend aufgeräumt kehrte er von dem Rapport
zurück. Als Erstes erhielten Ludger und Jo die Anweisung, bis zum Abend ihre
Abschlussberichte zu schreiben und die Akte übergabereif abzuschließen. Für
acht Uhr am folgenden Morgen setzte er eine Lagebesprechung an.
    Dann zog er sich in sein Büro zurück, wo er zunächst
eine schlanke, nicht etikettierte Flasche aus dem Schrank holte. Sie enthielt
Pastis, mit Wasser im Verhältnis 1:8 verdünnt. Behutsam goss er ein wenig davon
in ein Glas und ließ ihn in kleinen Schlucken genießerisch durch die Kehle
rinnen – eine rituelle Handlung, die er vor Jahren aus Frankreich mitgebracht
hatte. Solchermaßen wiederhergestellt, steckte er sich eine Gitanes an und
griff nach dem Telefonhörer.

6
    Jo hatte die veränderte Situation regelrecht
beflügelt. Ohne Murren kochte sie anderntags den Morgenkaffee. Kalfass dagegen
war stocksauer, und er hielt damit nicht hinterm Berg.
    »Ich kann nicht nachvollziehen, warum wir den
laufenden Fall gegen einen simplen Selbstmord tauschen sollen, auch wenn der,
zugegebenermaßen, nicht ganz koscher scheint. Ich betone: scheint! Denn wenn
ich Sie recht verstanden habe, haben wir überhaupt nichts Konkretes in der
Hand.«
    »Stimmt«, antwortete Wolf. »Aber haben wir diese
Ausgangssituation nicht bei den meisten unserer Fälle? Verlass dich einfach auf
mein Gefühl, Ludger, es hat mich selten im Stich gelassen. Ich bin sicher, du
wirst das bald ähnlich sehen.« Auch wenn es dir schwerfallen wird, fügte er in
Gedanken hinzu. Dann verteilte er die Aufgaben für den Vormittag. Jo sollte mit
ihm nach Weingarten fahren. Kalfass wies er an, mit den Kollegen des
Wirtschafts- und Betrugsdezernats und mit dem Zoll zu sprechen.
    »Könnte doch

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