Seehaie
… Sagen Sie bloß nicht, Sie und Qualle haben
schon wieder …«
Erneut wechselten die beiden einen schnellen Blick.
»Wir bekennen uns schuldig, Euer Ehren! Aber es war zu verlockend, und der
durchschlagende Erfolg gibt uns doch recht, oder? Im Übrigen … ich mache ungern
halbe Sachen.«
»Wir haben ganz einfach …«, setzte nun Qualle zu einer
minutiösen Schilderung des Datenklaus an.
»Verschont mich um Gottes willen mit Details. Ich weiß
von nichts, und so soll es auch bleiben.«
»Na gut«, sagte Karin Winter, »Hauptsache, die Mittel
haben ihren Zweck erfüllt. Aber etwas anderes geht mir nicht aus dem Sinn.
Alles hat doch mit dem angeblichen Selbstmord des Polen Ploc angefangen. Einen
Tag später ereilte seinen Kollegen Yosip Juratovic dasselbe Schicksal. Nun
dürfte es nicht sonderlich schwer gewesen sein, den beiden Fahrern den
Giftcocktail zu verabreichen und Juratovics Ableben als unglücklichen Todesfall
auf der Fähre darzustellen, zumal das leere Nitrospray diese Schlussfolgerung
geradezu aufdrängte. Wie aber hat Starek das mit Ploc angestellt?
»Nun, zunächst einmal fuhr Starek den bereits toten
Ploc zu der bekannten Stelle im Wald oberhalb Wallhausen. Dort suchte er eine
Buche aus, die einen kräftigen Ast in gut zwei Metern Höhe aufwies. Danach
legte er dem Polen so einen Klettergurt an, wie ihn Bergsteiger benutzen, um
Druckstellen und Quetschungen am Körper zu vermeiden, und schleppte ihn zu der
Buche.«
»Dabei müsste er doch Schleifspuren oder zumindest
Fußabdrücke hinterlassen haben«, warf Karin Winter ein.
»Hat er nicht. Er trug ihn auf dem Rücken, schließlich
waren es nur wenige Meter, und der Pole galt nicht gerade als Schwergewicht. Im
Übrigen war der Waldboden für Fußabdrücke viel zu trocken; vergesst nicht, wir
hatten seit Tagen brütende Hitze und keinerlei Niederschlag. Starek befestigte
ein Seil an dem Klettergurt, warf es über den ausgesuchten Ast, zog damit die
Leiche hoch und band das Zugseil fest …«
»Moment mal«, fiel Qualle mit hochgezogenen
Augenbrauen dem Hauptkommissar ins Wort. »Selbst wenn Ploc nur siebzig Kilo
wog, das Hochziehen eines solchen Gewichtes hinterlässt an der Rinde auf jeden
Fall Schleifspuren. Ich hoffe doch, ihr habt euch die Oberseite des Astes genau
angesehen?«
»Natürlich, aber da waren keine Spuren. Vielleicht hat
er etwas unter das Seil gelegt, das ist noch nicht abschließend geklärt.
Jedenfalls musste er dem toten Ploc nur noch die Schlinge um den Hals legen,
deren Ende am Ast festbinden und zuletzt das Zugseil vom Klettergurt
durchschneiden …«
»Verstehe: Schon fiel Ploc nach unten und brach sich
das Genick«, ergänzte Karin Winter Wolfs Satz.
»Man könnte also sagen, der Pole ist zweimal
gestorben: zuerst vergiftet, anschließend erhängt. Geht wohl gern auf Nummer
sicher, euer Herr Starek.«
»Der Rest war Routinekram: Zugseil und Klettergurt
aufschneiden und entfernen, zuletzt den mitgebrachten Campingstuhl unter den
baumelnden Ploc legen – alles sollte für uns so aussehen, als sei er in
selbstmörderischer Absicht auf den Stuhl gestiegen, habe seinen Kopf in die
Schlinge gesteckt und danach den Stuhl umgestoßen.«
»Ist das eine Theorie oder gibt es Beweise für diese
Vorgehensweise?«, fragte Karin Winter neugierig.
»Nun, wir fanden am Tatort unter dem Laub eine
Kunststoffschlaufe, mit der wir zunächst nichts anzufangen wussten. Also
wanderte sie mit zur KTU . Mittlerweile konnte das
Ding als Teil eines Klettergurtes identifiziert werden. So hat es uns den
entscheidenden Hinweis auf den Hergang der Tat gegeben. Es dürfte nicht schwer
sein, das genaue Modell und über die hiesigen Sportartikelgeschäfte auch den
Käufer des Gurtes zu ermitteln. Und es würde mich sehr wundern, wenn der nicht
Starek heißt.«
»Ein Hoch auf den Kollegen Zufall.« Qualle hob sein
Glas.
»Und wenn nicht?«, fragte Karin Winter.
»Dann ist da immer noch der Seemannsknoten, mit dem
die Schlinge geknüpft war. Dazu muss man wissen, dass Starek Segler ist, er hat
diese Art Knoten seit Jahr und Tag angewendet, er trägt also seine Handschrift.
Sein Pech, dass er auf dieses Detail nicht geachtet hat.«
Karin Winter nickte gedankenverloren, ehe sie mit
ihrer nächsten Frage herausrückte. »Sagten Sie nicht, bei Plocs Leiche sei ein
Abschiedsbrief gefunden worden?«
»Eine Fälschung, wie wir inzwischen wissen.«
»Und um Plocs Frau von unliebsamen Aussagen
abzuhalten, hat Starek ihr dann die zehntausend
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