Seekers - Die Letzte Große Wildnis: Band 4 (German Edition)
seiner Beute …
Töte sie … ein Biss in den warmen Körper … und dann friss.
Die Ebene schwankte und verschwamm, seine Pfoten schienen kaum noch den sumpfigen Untergrund zu berühren. Die Vögel stoben mit wildem Geflatter und verängstigtem Gekreisch auf. Ujurak stürzte sich auf die Beute. Seine Reißzähne schlossen sich um den Hals der Gans, er schüttelte das Tier, das sich vergeblich wehrte, bis es erschlaffte.
Stolz hob er den Kopf, die Beute aus dem Maul baumelnd. Friss … schmeck das Blut … Doch etwas nagte an seinem Gewissen. Er durfte noch nicht fressen. Widerstrebend drehte er sich um und trottete den Weg zurück, den er gekommen war.
Er spürte, wie sein langgliedriger Wolfskörper anschwoll. Brauner Pelz trat an die Stelle des schäbigen grauen Fells und seine Schritte wurden schwerer. Mit dem Nachlassen der wölfischen Blutgier verlangsamte sich auch sein Herzschlag. Nach und nach nahm er die Ebene um sich herum wieder wahr. Das heisere Geschrei der Gänse, die sich ein Stückchen entfernt erneut niedergelassen hatten, war verstummt. Ujurak blinzelte verwirrt, als er drei weitere Bären auf sich zukommen sah. Ein schwarzer, ein brauner, ein weißer … Sie kamen ihm bekannt vor. Warum kann ich mich nicht an sie erinnern?
»Ujurak!« Der kleine Schwarzbär sprang auf ihn zu. »Das war ein toller Fang!«
»Äh … danke … Lusa.« Ujuraks Verwirrung verschwand, als er vor der kleinen Bärin stand und ihr die Beute zu Füßen legte. Natürlich wusste er, wer sie war. Und die anderen beiden Bären, die auf ihn zutrotteten, waren seine Freunde Toklo und Kallik. Mit den langen Wolfsbeinen hatte er sie rasch abgehängt. »Kommt und bedient euch«, sagte er.
Toklo knurrte dankbar, riss sich einen Teil der Gans ab, zog sich ein paar Schritte zurück und ließ sich nieder, um das frische Fleisch zu fressen. Ujurak wartete, bis sich die beiden Bärinnen bedient hatten, ehe auch er sich zum Fressen niederließ. Die fette Gans reichte für sie alle. Sie schmeckte wunderbar und wärmte Ujurak den Bauch.
»Dasch ischt – mmmh – herrlisch!«, murmelte Kallik begeistert. Sie nahm Witterung auf. »Könnt ihr auch das Eis riechen? Es wird bald näher an die Küste kommen. Dann kann ich zu den Jagdgründen der Eisbären zurückkehren.«
»Aber … auf dem Eis … gibt es … keinen Schutz«, warf Lusa ein, die das Maul noch mit saftigem Fleisch voll hatte. »Der Wind pustet einen doch glatt ins Meer.«
»Nicht, wenn wir uns Schneehöhlen graben«, erklärte Kallik. »Darin können wir uns zusammenkuscheln und es uns gemütlich machen!« Ujurak sah einen traurigen Schatten in Kalliks Augen kriechen und fragte sich, ob sie an ihr altes Leben mit ihrem Bruder und ihrer Mutter dachte. Kallik blinzelte und der Schatten verschwand. »Und wir jagen Robben an Eislöchern. So etwas Leckeres wie eine Robbe habt ihr noch nie gefressen!«
»Mir sind Erde unter den Tatzen und die Beute, die ich darauf fangen kann, lieber.« Toklo wandte den Kopf und blickte zu einem Bergrücken in der Ferne, der dicht mit Bäumen bewachsen war. Ujurak sah Vögel darüber kreisen und spürte das pralle Leben der unzähligen kleinen Tiere, die unter dem Blätterdach wohnten. »Das ist genau das Richtige für Braunbären – stimmt’s, Ujurak?«
»Stimmt«, erwiderte Ujurak.
»Seht euch die vielen Bäume an«, sagte Lusa träumerisch und wischte sich mit der Tatze eine Feder von der Schnauze. »Ich schlafe am liebsten in den Bäumen, umgeben vom Flüstern des Windes und der Bärenseelen.«
Toklo riss sich noch einen Happen Fleisch ab. »Was … mir … mmmh … hier gefällt«, sagte er, schluckte den Bissen hinunter und schleckte sich mit der Zunge das Maul ab, »ist, dass es keine Flachgesichter gibt. Keine Schwarzpfade. Keine Feuerbiester. Keine Flachgesichterhöhlen.«
»Nichts als offenes Land und Meer, wo man auch hinsieht«, schwärmte Kallik.
»Und jede Menge Beute«, fügte Toklo hinzu.
Lusa sprang auf. »Was machen wir als Nächstes?«, fragte sie. »Ich will einen gemütlichen Baum für die Nacht finden.«
»Lasst uns erst noch ein bisschen ausruhen.« Toklo beruhigte die eifrige kleine Bärin mit einem Stupser in die Seite. »Wir haben jede Menge Zeit.«
Ujurak fraß seinen Teil der Beute auf und hörte nebenbei seinen Freunden zu, die aufgeregt über ihre neue Heimat sprachen. Er hatte sie hergebracht an diesen Ort, an dem sie den Rest ihres Lebens sicher, satt und weit weg von Flachgesichtern
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