Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
Äste und den Schnee, als Toklo erwachte. Er blinzelte mehrmals und überlegte, warum ihm so kalt und seltsam zumute war. Es hatte nicht nur mit dem unbequemen Untergrund zu tun, auf dem er lag. Irgendetwas war nicht in Ordnung.
Toklo drehte sich um und stellte fest, dass sein Bruder sich an seinen Rücken geschmiegt hatte, die Tatzen an die Brust gelegt. Als Toklo sich rührte, hob Tobi die Tatzen vors Gesicht, rieb sie einmal über seine Schnauze und lag dann still. Sein Atem ging flach und schnell und roch komisch.
Toklo bewegte den Kopf näher zu Tobi und nahm den gleichen scharfen Geruch wahr, der ihm schon gestern an ihm aufgefallen war. Das Fell seines Bruders war kalt, kälter noch als sein eigenes in der zurückliegenden Nacht. Erschrocken bemerkte er, dass Tobis Augen weit offen standen.
Toklo hielt sein Gesicht genau vor Tobis Nase und wartete auf eine Reaktion, jedoch vergeblich. Tobis Blick war trüb, so als würde er Wolken sehen anstatt seines Bruders.
»Tobi«, flüsterte Toklo. Tobis Ohren zuckten nicht einmal. Toklo streckte vorsichtig die Tatze aus und legte sie an den Oberkörper seines Bruders. Er konnte fühlen, dass Tobis Atem schneller ging und dann plötzlich ganz langsam.
»Tobi«, versuchte er es noch einmal. »Tobi, gehst du jetzt zum Fluss? Wirst du ein Wassergeist?« Es kam keine Antwort. Toklo hatte Angst, war aber auch fasziniert. Wie wurde ein Bär zu einem Wassergeist?
Tobi machte einen langen, zitternden Atemzug, dann lag er still. Toklo zog hastig seine Tatze zurück. Er setzte sich auf und beschnüffelte Tobis Körper von oben nach unten. Der scharfe, faulige Geruch war immer noch da, aber etwas fehlte jetzt. Tobis Augen waren geschlossen. Er atmete nicht mehr.
Tobi war tot.
Toklo überlegte, was er tun sollte. Er hatte den Geist seines Bruders nicht herauskommen sehen. War er schon unterwegs zum Fluss? Steckte er noch im Fell fest? Versuchsweise stupste er Tobi noch einmal an, aber es kam nichts herausgeflogen.
Hinter ihm bewegte sich etwas und Toklo zuckte zusammen. Oka erwachte, schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Sie blickte sich verwirrt um und ihr Blick fiel auf Tobi. Mit einem Aufschrei schob sie Toklo beiseite, um sich über ihr totes Junges zu beugen. Ein tiefes Stöhnen entwich ihrer Brust, sie erhob sich auf die Hinterbeine und brüllte vor Schmerz und Wut. Der Schrei hallte von den Felswänden wider und dröhnte in Toklos Ohren. Er machte sich ganz klein, verwundert, dass der Berg nicht über ihnen zusammenstürzte.
Oka ließ sich auf alle viere zurückfallen. »Warum hast du mich nicht geweckt?«, fauchte sie Toklo an. »Warum? Wie konntest du ihn nur einfach sterben lassen?«
»Ich – hab ich doch nicht!«, wehrte sich Toklo. »Ich meine, das stimmt nicht, aber was sollte ich denn tun?«
»Du hättest mich wecken können«, schrie sie. »Wie konntet ihr nur?« Sie wütete jetzt gegen den Himmel, die Bäume, die Felsen. »Warum habt ihr ihn mir genommen? Warum müsst ihr mir alle meine Jungen nehmen? Warum müssen sie auf diese Weise sterben? Was haben sie denn getan, um euch so zu erzürnen?«
Sie kauerte sich neben Tobi, drückte ihre Nase in sein Fell und tätschelte ihn, als wollte sie ihn dazu bewegen aufzustehen. »Ich konnte mich nicht mal von ihm verabschieden!«, rief sie. »Mein armer Kleiner, nun bist du ganz allein …«
Sie fuhr fort zu klagen, doch in gedämpften Worten, die Toklo nicht verstand. Er zog sich zurück, setzte sich in den Eingang ihres Unterschlupfes und wartete darauf, dass sie herauskam, um die Wanderung fortzusetzen. Sie mussten ja trotzdem weiter zum Fluss, oder nicht?
Ihm kribbelte das Fell vor lauter Elend. Er konnte nicht begreifen, warum sie so zornig auf ihn war. Er war doch nicht derjenige, der zum Überleben zu schwach war. Er war derjenige, der für sie sorgen würde, wenn sie ihn nur ließe. Die Wassergeister hatten ihr nicht alle ihre Jungen genommen – er war immer noch da! Warum spielte das keine Rolle für sie? Tobi musste mittlerweile bei den Lachsen im Fluss sein. Das war doch mit Sicherheit besser, als wenn er weiter hier bei ihnen wäre, wo er immer nur müde und traurig war, Hunger hatte und frieren musste. Es war besser so für Tobi und für sie beide war es auch besser.
Die Sonne strich über den Berghang, ließ Schneekristalle aufblitzen und tauchte den Gipfel des Berges in ein goldenes Weiß. Oka lag neben Tobi, bewegungslos wie ein umgestürzter Baum. Toklo wurde unruhig. Würden sie den
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