Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
gegeben, einen guten Reisegefährten zu haben. Als sie sich schließlich erhob und hinein in den Wald schritt, war sie einsamer denn je.
Die Tage wurden länger und heißer und das Gelände steiler, je höher hinauf sie kam. Sie war den Bäumen dankbar für ihren kühlen Schatten und auch für den Schutz, den sie ihr nachts boten. So sicher sie sich im Wald auch fühlte, wusste sie doch, dass sie in ihrer Achtsamkeit nicht nachlassen durfte. Daher kletterte sie über Nacht auf einen Baum und schlief auf den Ästen, wo kein Grizzly, kein Wolf und kein wanderlustiges Flachgesicht sie finden konnte.
Fünf Tage nachdem sie den Wald betreten hatte, erklomm Lusa einen Felsvorsprung, der über einige der Bäume hinausragte. Es war eine mühsame Kletterei, aber als sie den Vorsprung erreicht hatte und sich umwandte, sah sie die Welt zu ihren Füßen ausgebreitet. Voller Ehrfurcht setzte sie sich hin. In weiter Ferne sah sie, von dünnen, tiefroten Wolken umgeben, den Ort, an dem der Himmel die Erde berührte. Sie konnte sogar den Rand des Waldes erkennen, obwohl auch er weit, weit entfernt war. Dahinter waren gerade eben noch die Umrisse von Flachgesichterhöhlen und die scharfen Ecken von Feuerbiesterpfaden auszumachen. Lusa fragte sich, ob auch das Bärengehege dort unten lag und ob vielleicht irgendeiner ihrer Familienangehörigen in diesem Moment zum Berg hinaufblickte und an sie dachte.
Erneut spürte sie Gewissensbisse, und die Einsamkeit legte sich auf sie wie ein heftiger Regen, der die Wassernäpfe im Gehege füllte. Sie hoffte, dass ihre Familie sich keine Sorgen um sie machte. Sie wussten hoffentlich, dass sie entkommen war, und dachten nicht, sie sei gestorben. Sie erinnerte sich noch, wie besorgt sie um Ashia gewesen war, als die Flachgesichter sie weggeschafft hatten.
Ihre Ohren zuckten, als sie ein sonderbares Geräusch vernahm. Es war eine Art Summen. Lusa erhob sich und reckte die Schnauze in die Luft, um zu schnuppern. Es roch süß, so süß, dass sich Lusas Nase kräuselte. Eine Erinnerung blitzte plötzlich auf: Stellas Erzählung über den sogenannten Summbaum. »Der Baum summt und summt, und er sticht dich, um dich zu vertreiben«, hatte sie gesagt, »aber wenn du hartnäckig genug bist, kannst du ganz köstliches süßes Zeug herauspulen, das noch besser schmeckt als Blaubeeren.«
Lusa folgte dem Geräusch. Zu ihrer Überraschung kam das Summen tatsächlich von einem Baum. Er sah nicht anders aus als all die anderen Bäume ringsum, außer dass er auf halber Höhe ein Loch im Stamm hatte, ungefähr so groß wie Lusas Kopf. Kleine pelzige Insekten schwirrten um das Loch, flogen hinein und wieder heraus. Bienen! Lusa hatte sie im Bärengehege beobachtet, wie sie von Blume zu Blume zogen. Sie kletterte auf den Baum und balancierte auf einem starken Ast, um an das Loch heranzukommen und den Kopf hineinzustecken. Sie streckte die Zunge weit heraus und berührte damit etwas Warmes, Klebriges … und köstlich Süßes!
Das Summen wurde lauter, sodass Lusa sich fragte, ob der Baum wütend auf sie war. Plötzlich schoss ein Schwarm Bienen aus dem Loch und fiel über sie her. Erst als sie den ersten Stich spürte, wurde ihr klar, dass Stella sich getäuscht hatte. Es war nicht der Baum, der das Summen und Stechen besorgte, sondern die Bienen! Aber die Bienen im Bärengehege hatten niemals auf diese Weise gesummt oder sie mit spitzen Stacheln gestochen, die sie nicht einmal sehen konnte.
»Autsch!« Lusa schlug mit den Tatzen um sich. »Aua! Hört auf damit!« Doch dem Geschmack des Honigs konnte sie nicht widerstehen, daher steckte sie die Schnauze erneut in den Baum und leckte und schleckte, bis sie sich den Bauch vollgeschlagen hatte. Die schmerzhaften Stiche der aufgescheuchten Bienen versuchte sie einfach zu ignorieren.
Als sie satt war, schwang sie sich vom Baum herunter und stolperte von dannen. Ihre Schnauze brannte von den Bienenstichen, und sie schüttelte immer wieder den Kopf, um sich ein wenig Kühlung zu verschaffen. Ihr Magen aber fühlte sich voll und wohlig warm an und die schmelzende, goldene Süße des Honigs im Maul begleitete sie für den Rest des Tages.
Gegen Abend, als ein leichter Nebel sich vom Berg herunterwälzte und allem einen silbrigen Anstrich gab, entdeckte Lusa eine Markierung an einem der Bäume. Sie stellte sich auf die Hinterbeine, um sie näher zu untersuchen. Die Kratzspuren befanden sich auf einer Höhe, die ungefähr ihrer doppelten Körpergröße entsprach.
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