Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
Gerade sann sie darüber nach, was genau ihr Vater über derartige Kratzspuren an Bäumen gesagt hatte, als der Duft von Blaubeeren an einem nahen Busch sie ablenkte. Sie folgte ihrer Nase und pflückte so viele Beeren, bis der Busch leer war.
Am nächsten Busch hingen noch mehr Beeren, und Lusa fraß alle, die sie finden konnte. Bald musste sie sich einen Schlafplatz suchen, denn es wurde immer dunkler. Schon konnte sie die ersten Sterne am Himmel funkeln sehen.
Ein wütendes Schnauben unterbrach ihre Gedanken. Lusa wirbelte herum und sah sich einem gewaltigen Braunbären gegenüber. Vor lauter Schreck stand sie da wie gelähmt.
»Du bist in meinem Revier!«, fauchte der Bär und verpasste ihr einen so heftigen Hieb, dass Lusa zu Boden stürzte. Er erhob sich auf die Hinterbeine und stand drohend über ihr. Sein Gebiss wirkte furchterregend und seine braunen Knopfaugen funkelten sie durch struppiges, dunkelbraunes Fell hindurch zornig an.
»Tut mir leid!«, keuchte Lusa und rappelte sich mühsam auf. »Ich wollte nicht –«
Der Bär knurrte, dann schlug er erneut zu. Diesmal hielt er sie jedoch am Boden fest. Mit seinem Riesengewicht drückte er sie in den Staub, sodass sie kaum Luft bekam. Seine Krallen bohrten sich in ihre Haut. Er beugte sich herunter und sein übelriechender Atem strich heiß über ihre Schnauze, als er ihr ins Ohr flüsterte:
»Und deshalb, würde ich sagen, kann ich dich fressen.«
27. KAPITEL
Toklo
Eine kühle Nachtbrise zerzauste Toklos Fell, und er blickte zu dem einsamen Stern hinauf, der zwischen all den anderen dort oben am Himmel stand. Ob er ihn wohl auslachte? Ihn, den zähen, unabhängigen Toklo, der jetzt so einen Hohlkopf von einem Gefährten wie Ujurak am Hals hatte?
Das zarte Bärenjunge hatte ihn in zügigem Tempo aus dem Tal herausgeführt. Ujurak war den ganzen Tag lang gelaufen, als wisse er genau, wo es hinging, obwohl er doch zu Toklo gesagt hatte, er habe keine Ahnung. Jetzt war fast die Zeit des Mondhochstands gekommen, und Ujurak kletterte immer noch voran durch die Schlucht, die zum nächsten Tal führte. Toklo rutschte auf einigen lose liegenden Kieselsteinen aus, die daraufhin geräuschvoll den Hang hinunterrollten. Verärgert über seine eigene Ungeschicklichkeit – und darüber, dass er Ujurak folgte anstatt umgekehrt – blieb er stehen und schüttelte sich.
»Was ist los?« Ujurak kam zu ihm zurück. Er lief im Kreis um Toklo herum und stieß ihn dabei in die Seite, als wolle er spielen. Toklo zog die Schultern hoch. Er kannte dieses Junge nicht gut genug, um mit ihm zu spielen, und er wusste noch immer nicht recht, was er von dessen angeblichen Gestaltsveränderungen halten sollte. Toklo hatte keine Lust, mit einem Grizzly herumzubalgen, nur um dann plötzlich festzustellen, dass er einen blassen Glattpelzigen zwischen den Tatzen hatte.
»Wo willst du hin?«, brummte er. »Ich finde, wir sollten weiter den Berg hinauf, bevor wir ins nächste Tal gehen. Auf dem Berg gibt es mehr zu jagen und weniger Glattpelzige als in den Tälern.«
»Sicher«, sagte Ujurak. »Ich bin einfach diesem Stern gefolgt, aber das können wir auch machen, indem wir direkt den Berg hochgehen.«
Er deutete mit der Schnauze zum Himmel, und Toklo erkannte mit Unbehagen, dass er von dem einsamen Bärenseelenstern sprach. »Du folgst diesem Stern?«, fragte er. »Warum gerade ihm?«
»Ich weiß nicht«, gestand Ujurak. »Einfach nur so aus dem Bauch heraus. Von allen Sternen ist er derjenige, der mir den Weg zeigt.«
Es verstörte Toklo, dass Ujurak von demselben Stern angezogen wurde wie er. Das war sein Stern, den wollte er nicht mit irgendeinem anderen Bären teilen.
»Na ja, egal was wir tun«, sagte er mürrisch, »wir sollten jedenfalls jetzt anhalten und uns ein Nachtlager suchen. Da drüben scheint ein Unterschlupf zu sein, zwischen den beiden Felsblöcken.«
»Gute Idee«, stimmte Ujurak ihm zu. Toklo ging voran zu den Felsblöcken. Der eine war lang und flach und stand schräg gegen den zweiten Block gelehnt, der rund und mächtig war. Darunter war gerade genug Platz, dass sich die beiden Jungbären hineinzwängen konnten. Als er sich in dem dunklen Hohlraum einrichtete, fiel Toklo auf, dass er mehr Platz in Anspruch nahm im Vergleich zu früher, als er sich derartige Schlafstätten mit Tobi geteilt hatte. Anscheinend war er gewachsen, ohne es zu merken.
Ujurak rollte sich neben ihm zusammen und legte dabei sein Kinn auf Toklos Vorderbein, so selbstverständlich,
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