Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
war als die anderen. Anstatt hoch in den Himmel zu ragen, war dieser Baum klein und mit wunderschönen weißen Blüten bedeckt. Lusa hoffte, dass sie, wenn sie starb, in einen solchen Baum verwandelt würde. Sie wollte nicht in einem Fluss treiben wie Oka und Tobi. Sie wünschte sich, dass ihre Seele in einem Blütenmeer wie diesem Gestalt annehmen würde.
Als sie sich mit den Vordertatzen an dem Stamm hinauftastete, entdeckte sie einige kleine rote Früchte, die von den Zweigen hingen. Mit den Zähnen gelang es ihr, eine davon abzureißen. Süßer Saft ergoss sich in ihr Maul und der scharfe Geschmack der Schale kitzelte sie auf der Zunge. Das war etwas viel Schmackhafteres als die Flachgesichterabfälle, durch die sie sich hindurchgewühlt hatte. Sie fand es sogar noch leckerer als die Kartoffelstäbchen.
Plötzlich hörte sie hinter sich Äste knacken. Ihr Herz fing an zu rasen, und sie kletterte mit schnellen Sätzen den Baum hinauf, so wie King es sie gelehrt hatte. Zwischen den weichen Blüten verborgen, hielt sie sich am Stamm fest und spähte nach unten.
Ein großes, vierbeiniges Tier kam auf die Lichtung gehüpft. Lange Äste wuchsen ihm aus dem Schädel, und in seinem Fell fanden sich so viele verschiedene Brauntöne, dass es ganz scheckig wirkte. Es blieb kurz unter dem Baum stehen, um in die Runde zu schnuppern. Lusa hätte sich genau auf seinen Rücken fallen lassen können. Das Tier blickte sich nervös um, die Anspannung zeichnete sich im Zittern seines Fells ab. Lusa fühlte, wie dieselbe Unruhe ihre eigenen Glieder zittern ließ. Doch nach wenigen Augenblicken sprang das Tier wieder davon und verschwand zwischen den Bäumen.
Lusa blieb auf ihrem Ast hocken. Hier fühlte sie sich sicher. Sie griff nach einer weiteren Frucht und fraß sie. Beim Hinunterschlucken vermischten sich die Düfte des Laubs und der Blüten mit dem köstlichen Geschmack. Sie griff nach der nächsten Frucht und hielt dann, die Tatze noch ausgestreckt, inne.
Ein anderer Schwarzbär starrte sie vom Baumstamm aus an. Lusa starrte zurück. Vorsichtig streckte sie die Tatze aus und schob ein paar Blätter beiseite, um das Gesicht besser sehen zu können. Da war kein richtiger Bär, sondern einfach ein Muster aus Knoten und Kringeln in der Rinde, das genau wie das Gesicht eines Schwarzbären aussah.
»Hallo«, flüsterte Lusa und schob sich dichter an den Baumstamm heran. »Warst du früher mal ein Bär?« Vielleicht hatte Stella doch recht. Ihr gefiel die Vorstellung, dass eine Bärenseele ganz in der Nähe saß und sie beobachtete. So fühlte sie sich weniger einsam.
Sie blieb noch eine Weile auf dem Baum, um das Sonnenlicht und den Blütenduft zu genießen. Als die Zeit des Sonnenhochstands erreicht war, flüsterte sie dem Bärengesicht Lebewohl zu und kletterte nach unten. Sie spitzte die Ohren und machte sich auf die Suche nach dem Bach, den sie gehört hatte.
Kaum hatte sie das Glitzern des Wassers zwischen den Bäumen erblickt, begann sie schneller und schneller zu laufen. Kurz darauf planschte sie so ausgelassen durch das seichte Wasser, dass die glatten, eiförmigen Steine unter ihren Tatzen in alle Richtungen kullerten. Genüsslich tauchte sie ihre Zunge in das kühle Nass, das sich außerdem als wahre Wohltat für ihre Tatzen erwies, die noch immer wund waren nach der langen Wanderung über harte Steinpfade.
Lusa folgte dem Verlauf des Baches. Sie war sich sicher, dass er vom Gipfel des Berges kam. Wenn sie dem Bach folgte, würde sie automatisch den Bärenschnauzenberg hinauf und dem Bärenwächter entgegenwandern, in die Richtung, aus der Oka gekommen war. Sie war also auf dem richtigen Weg und doch war der Wald so unheimlich groß, größer, als sie es je für möglich gehalten hätte. Selbst wenn sie bis zum Wipfel des höchsten Baums kletterte, würde sie ihn, so glaubte sie, nicht zur Gänze überblicken können. Wie sollte sie da jemals Toklo finden?
Für den Rest des Tages und auch am folgenden Tag ging sie neben dem Bach her, wanderte bei Tageslicht und blieb möglichst im kühlen Schatten der Bäume. An ihrem dritten Tag im Wald hörte der Bach auf, gerade den Berg hinabzufließen. Jetzt schlug er einen Bogen in den Wald hinein. Lusa setzte sich ans Ufer und klatschte die Tatzen ins Wasser. Der Bach nahm ab hier einen falschen Weg. Sie musste den Berg überqueren, um sich an Okas Route zu halten und Toklo zu finden. Es tat ihr leid, den Bach zu verlassen. Sein sprudelndes Geplapper hatte ihr das Gefühl
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