Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
wurde! Sie war vom Kopf bis zur Schwanzspitze mit Öl verklebt. Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt noch geatmet hat. Wahrscheinlich hätte sie nicht überlebt, wenn wir sie nicht gleich in warmes Wasser gelegt und gesäubert hätten. Wir sind noch nicht fertig, aber sie sieht schon viel besser aus.«
Sally bückte sich und zog eine silberne Schüssel aus dem Käfig. »Willst du sie füttern?«, fragte sie. »Es ist ganz einfach.«
»Natürlich.« Ujuraks Zuversicht wuchs. Sally schien es für völlig normal zu halten, dass er da war und half. Sie zeigte ihm, wo sie den Behälter mit eisgekühltem Fisch für die Robben aufbewahrten. Er nahm einen heraus und warf ihn zwischen den Gitterstangen hindurch der Robbe ins Maul. Sie schluckte ihn mit einem Happs herunter.
»Waaa«, erklang es von der Robbe.
»›Danke!‹«, übersetzte Sally strahlend.
»Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie gesagt hat: ›Noch einen, sofort!‹«, erklärte Ujurak.
Sally lachte. »Könnte sein, Spaßvogel.«
Ujurak nahm noch einen Fisch und verfütterte ihn an die Robbe. Er war es nicht gewohnt, als Spaßvogel bezeichnet zu werden, zumal er es ernst gemeint hatte, denn er hatte die Robbe wirklich verstanden.
»Komm, ich zeige dir mal das merkwürdigste Tier, das wir hier haben!« Sally zog ihn weiter. Sie führte ihn an einem großen Eisbären vorbei und deutete auf einen kleineren Käfig in der Mitte des Zeltes. »Sieh mal. Das ist ein Schwarzbär!«
Als Ujurak die kleine Schwarzbärin betrachtete, die zusammengerollt in ihrem Käfig lag, blieb ihm fast das Herz stehen. Er kannte sie.
Das war Lusa!
Sie war es, an die Sally ihn erinnert hatte. Sie hatte dieselbe fröhliche, zuversichtliche Art. Erinnerungen überschwemmten Ujurak. Er war ein Bär – ein Braunbär! Er war hier, um Lusa zu befreien. Toklo und Kallik warteten draußen. Nur deshalb war er hergekommen. Und seine Mutter war irgendwo da oben und wachte über ihn. Vergiss das nicht wieder, ermahnte er sich.
Er musste an das letzte Mal denken, als er ein Flachgesicht gewesen war. Diesmal war er größer und selbstbewusster, fühlte sich in seiner menschlichen Haut wohler. Ob es daran lag, dass er die Gestalt eines älteren Flachgesichtes hatte, oder eher daran, dass er beim letzten Mal vieles gelernt hatte, an das er sich jetzt erinnerte?
Lusa starrte ihn mit glänzenden Augen durch die Gitterstäbe an. Er fragte sich, ob sie ihn erkannte? Sollte er ihr in der Bärensprache sagen, wer er war und dass sie nichts mehr zu fürchten hatte?
»He!« Sally zog ihn am Ärmel zurück. »Geh nicht so nah ran! Du hast doch gehört, was Craig gesagt hat. Sie ist ein wilder Bär. Ich meine, sie ist unheimlich süß, aber trotzdem könnte sie gefährlich werden.«
Ich auch, dachte Ujurak. Ich bin auch ein wilder Bär.
»Tut mir leid«, sagte er.
»Ist schon gut.« Sally lächelte wieder. »Ich habe mich auch ein bisschen in sie verliebt. Ist sie nicht niedlich? Wir haben wirklich gedacht, sie wäre ein Eisbär, als sie ölverschmiert hier ankam. Deshalb haben wir geschrubbt und geschrubbt, aber das Fell blieb schwarz! Wir haben keine Ahnung, was ein Schwarzbär hier auf dem Eis verloren hat. Ich meine, das ist total unnatürlich. Das arme Tier muss völlig ausgehungert und verwirrt sein.«
»Darf ich sie auch füttern?«, fragte Ujurak.
Zu seiner Enttäuschung schüttelte Sally den Kopf. »Nein, Tara und Erica sind für sie verantwortlich und füttern sie auch. Sie kennen sich gut aus mit Bären. Wir dürfen nur mit den Tieren arbeiten, die uns nicht das Gesicht zerkratzen können.«
Fast hätte Ujurak empört widersprochen: »Das würde Lusa niemals tun!«, doch er riss sich rechtzeitig zusammen und nickte nur. »Geht klar.« Er würde anders an Lusa herankommen müssen.
Dann fiel ihm der andere Teil seiner Mission wieder ein: Er wollte auch die Vögel, Robben und sonstigen Tiere hier befreien. Allerdings wusste er nun, dass sie ohnehin freikommen würden. Sally hatte gesagt, dass sie alle in die Wildnis zurückkehrten und die Menschen sich bis dahin um sie kümmerten. Also brauchten sie seine Hilfe nicht. Alles, was er tun musste, war, Lusa herauszuholen.
»Außerdem hat Tara sie vorhin erst gefüttert«, fuhr Sally fort. »Sie hat praktisch unser gesamtes Dosenobst bekommen! Aber morgen bringt das Schiff Nachschub.«
Plötzlich gab es am Zelteingang Unruhe. Eine dunkelhaarige Frau stürmte herein und rief: »Schnell, macht die Tische frei! Der nächste
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