Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
und an der Farbe des Wassers erkannte Ujurak, dass sich ein Unfall ereignet hatte und Öl ins Meer floss.
Bin ich deswegen hier? Die Ölplattform machte ihm Angst, und er wollte möglichst weit weg davon, obwohl er nicht verstand, warum. Er hatte die merkwürdige Erinnerung daran, dass sich das Öl an ihn heftete, ihm das Fell verklebte. Doch er hatte ja überhaupt kein Fell.
Verwirrt stieg Ujurak aus und ging auf das Zelt zu. Ihm war jetzt schon viel wärmer. Die Kleider schützten ihn vor dem eisigen Wind. Andere Leute rannten an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten, sprangen in ihre Feuerbiester oder trugen Käfige in das Zelt. Ujurak zog die Kapuze über den Kopf und hoffte, dass niemand die Kleider erkannte, die er sich ausgeliehen hatte.
Vor dem Eingang zögerte er einen Moment, dann öffnete er die Zeltklappe und ging hinein. Die Wärme und die Tiergerüche überschwemmten ihn wie eine Woge und einen Augenblick stand er völlig überwältigt da. An den Wänden des Zeltes stapelten sich die Käfige mit Tieren, die alle krank aussahen: Robben und Vögel, hier und da ein Walross, ein oder zwei Bären. Leute in grünen Jacken standen da, über Tische gebeugt, und reinigten Federn und Fell vom Öl.
Als Ujurak den Bären sah, dessen Käfig ihm am nächsten stand, blitzte etwas in ihm auf. Es war ein riesiger Eisbär, dessen verfilztes Fell noch ölverschmiert war. Er wirkte alt und schwach. Ujurak spürte eine Woge von Mitleid. Ihm war, als wüsste er genau, wie der traurige alte Bär sich fühlte.
Natürlich kann ich das, dachte er . Ich bin ja ein Bär. Und eine Robbe. Und ein Vogel. Ich bin alle diese Tiere. In seinem Kopf wirbelten die Erinnerungen wild durcheinander, doch einige waren klar und deutlich. Der Ölgeruch beschwor zudem schreckliche Bilder herauf.
Ehe er sich weiter umsehen konnte, kam ein großer Mann mit dunkler Haut und lockigem schwarzem Haar auf ihn zu. »Wer bist du?«, fragte er und stellte sich schützend zwischen Ujurak und die Käfige. »Ich habe dich hier noch nie gesehen.«
»Ich … äh … ich bin Ujurak«, stammelte er. Rasch dachte er nach. »Mein Vater arbeitet auf der Ölplattform.«
Der fremde Mann runzelte die Stirn. »Dann war er wohl einer von denen, die neulich hier aufgetaucht sind? Die wollten uns doch tatsächlich weismachen, dass ihre Arbeit wichtiger ist, als die vielen Tiere hier zu retten! Wenn du uns überreden sollst, den Eisbrecher hier durchzulassen, dann kannst du ihm sagen, das wird nichts.«
»Äh«, erwiderte Ujurak verwirrt, »nein, hat er nicht. Ich meine, die Sache mit dem Öl ist wirklich furchtbar. Ich wollte nur fragen, ob ich helfen kann.« Er sah sich um. »Das ist alles so schrecklich.«
Seine Stimme brach und der Mann blickte plötzlich freundlicher. »Sieh mal, Junge, wir wollen hier keinen Ärger.«
»Ich mache keinen Ärger!«, versprach Ujurak. »Meinem Vater macht es nichts aus, dass ich hier bin. Ehrlich. Ich kann doch bestimmt etwas tun. Ich kann gut mit Tieren umgehen.«
Der Mann rieb sich das Kinn und musterte Ujurak nachdenklich. »In Ordnung«, sagte er schließlich. »Ich heiße Craig. Ich bin der stellvertretende Chef des internationalen Einsatzteams, das gegen die Folgen der Ölkatastrophe kämpft.« Das Schnauben, das er hören ließ, erinnerte Ujurak an jemanden, an wen nur? »Es wäre natürlich besser, wenn wir dafür sorgen könnten, dass eine Ölpest gar nicht erst passiert. Aber auf uns hört ja keiner, wenn wir darauf hinweisen, dass diese Bohrungen das Risiko nicht wert sind.«
Er deutete auf einen Vogel, der elend in einem der nächsten Käfige lag. »Um die Möwen und Robben und Eisbären schert sich niemand. Egal, wie viele Bilder wir machen und wie viele Reporter wir anrufen, mittlerweile heißt es nur noch: ›Ach, schon wieder eine Ölpest, das interessiert niemanden mehr. Rufen Sie uns an, wenn eine berühmte Schauspielerin ins Öl fällt, dann ist das vielleicht was für uns.‹« Als Craig den verwirrten Ausdruck auf Ujuraks Gesicht sah, schüttelte er den Kopf. »Tut mir leid, aber das ist alles so unglaublich!«
Ujurak war fassungslos. Ein Flachgesicht, das genauso dachte wie er! »Und es sind ja nicht nur Vögel und Robben«, ergänzte er zögernd. Er erinnerte sich vage daran, dass er durch dunkles Wasser geschwommen war, das nach Gift geschmeckt hatte. Ein riesiges Ungeheuer hatte ihm einen großen Schrecken eingejagt. »Die Belugawale leiden auch. Sie haben nichts mehr zu fressen und das verschmutzte
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