Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
während das Feuerbiest an ihnen vorbeibrauste. Beide machten kehrt und galoppierten auf das sichere Eisfeld zu. Das Brüllen hinter ihnen wurde leiser und verstummte bald völlig. Als sich Toklo und Kallik keuchend hinter ihrem Eisbrocken verkrochen hatten, stand das Feuerbiest vor dem Eingang der Höhle.
»Das war gar nicht hinter uns her«, japste Toklo.
»Ja, aber das heißt noch lange nicht, dass es uns nicht umgerannt hätte! Vor allem, weil wir mitten im Weg waren! Gibst du jetzt endlich Ruhe?«
Toklo schnaubte verärgert. Tief in seinem Innern brodelte die Enttäuschung und er fletschte die Zähne. »Erzähl mir nicht, was ich tun und lassen soll!«, fauchte er.
»Dann hör auf, dich wie ein dummes Eichhörnchen zu benehmen!«, fauchte Kallik zurück. Sie war mittlerweile um einiges größer als er. Trotzdem war er überzeugt, dass er sie im Kampf besiegen konnte. Diesmal waren Ujurak und Lusa nicht da, ihn daran zu hindern.
Sie standen da, Nase an Nase, und er hatte schon die Tatze in der Luft, um nach ihr zu schlagen, als er merkte, dass sich ihr Blick veränderte. Sie wirkte jetzt nicht mehr feindselig, sondern besorgt. Sie drehte sich zur Höhle um und schnupperte.
»Was ist denn?«, fragte er und ließ die Tatze sinken. »Riechst du etwas?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, ich weiß, welcher Flachgesichtergeruch zu Ujurak gehört. Er vermischt sich mit den anderen Gerüchen da drin. Ich wünschte, ich hätte eine feinere Nase!« Sie fuhr sich mit der Tatze über die Schnauze. Offenbar hatte sie genauso viel Angst wie er. Was für ein Blödsinn, aufeinander loszugehen!
Toklo machte einen Schritt zurück und knurrte vor Verzweiflung. »Das ist einfach fürchterlich.«
»Das stimmt«, erwiderte Kallik und schnaubte traurig. Sie legte sich hin und vergrub einen Augenblick die Schnauze im Schnee. »Ich wünschte, wir könnten etwas tun.«
»Es wäre meine Aufgabe, auf sie aufzupassen.« Toklo kratzte nervös im Eis herum. »Alle beide, Ujurak und Lusa. Ich habe mich immer um sie gekümmert. Aber jetzt sind sie da drin in Gefahr, und ich sitze hier draußen, nutzlos wie ein schlaffer Fellhaufen.« Ihm fielen die Worte des Sternenbären wieder ein, nach denen einer von ihnen sterben würde. Womöglich standen Ujurak oder Lusa in diesem Moment an der Schwelle des Todes, während er von fern die Höhle beobachtete?
»Ich weiß, wie dir zumute ist«, meinte Kallik mitfühlend. »Wirklich. Aber denk dran, sie sind ja nicht hilflos, alle beide nicht. Lusa versteht die Flachgesichter. Sie weiß viel über sie und hat nicht einmal Angst vor ihnen. Wahrscheinlich kommt sie da drin besser zurecht als du oder ich. Und Ujurak ist selber ein Flachgesicht. Mithilfe seiner Kräfte und der Geister weiß er bestimmt, was zu tun ist. Ich bin mir ganz sicher, dass es ihnen gut geht.«
Toklo brummte und legte sich neben sie. »Wir werden sehen.«
»Weißt du, was wir machen?« Kallik setzte sich abrupt auf und stieß dabei mit dem Kopf an die Höhlendecke. »Wir gehen jagen. Wir müssen bei Kräften sein, falls wir heute Abend mit Lusa und Ujurak fliehen müssen. Mehr können wir im Moment sowieso nicht tun.« Sie stupste ihn in die Seite. »Außerdem grübeln wir dann nicht so viel. Komm schon.«
Toklo wäre gern geblieben, um die Höhle nicht aus den Augen zu lassen, doch kaum hatte Kallik das Wort »jagen« ausgesprochen, verspürte er einen nagenden Schmerz im Bauch. Er konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal etwas gefressen hatte. War das auf dem schwimmenden Feuerbiest gewesen, mit Lusa?
»In Ordnung.« Widerstrebend stand er auf.
Kallik hatte die Nase in den Wind erhoben. »Aus der Höhle kommen so viele Robbengerüche. Ich muss erst herausfinden, welche weiter weg sind.« Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Dabei drehte sie den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung.
»Da!« Sie riss die Augen auf. »Komm mit!« Kallik rannte los und Toklo beeilte sich hinterherzukommen. Wieder einmal war er beeindruckt, dass sie etwas witterte, das so weit weg war! Auch Toklo hatte eine hervorragende Nase, doch sie war vom Ölgeruch dermaßen verdorben, dass er eine Robbe wahrscheinlich nicht einmal gewittert hätte, wenn sie direkt vor seinen Tatzen gelegen hätte.
Sie liefen und liefen, erklommen Schneehügel und rutschten auf der anderen Seite wieder herunter, schlitterten über Eisflächen und sprangen über kleine Spalten, die sich in den Boden gegraben hatten.
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