Seelen-Transfer
entschieden!“
„Würden Sie mir sagen, aus welchen Gründen?“
„Es gibt keinen Grund, warum ich das tun sollte. Wenn jemand beschließt, zu sterben, dann hat er gute Gründe, die für ihn völlig ausreichen. Aber um Sie wenigstens zu informieren, kann ich Ihnen ja sagen, daß mein bester Grund der ist, daß ich den Tod nicht fürchte.“
„Auch das Leben nicht?“ warf der Beamte ein. Plötzlich schien sein Gesicht nicht mehr so dicklich zu sein. Er strahlte jetzt Scharfsinn und Klugheit aus.
„Auch das Leben nicht“, bestätigte Mason, ohne zu zögern. Dann fuhr er fort: „Wenn alle Pläne erfüllt sind, wenn alle Absichten erreicht wurden, wenn man alle Ambitionen verwirklichen konnte, wenn alle Freunde längst von einem gegangen sind, und wenn man sich zur Ruhe setzen muß, weil einem einfach nichts mehr zu tun bleibt, hört das Leben auf, Leben zu sein. Es wird zu einer bloßen Existenz, einer Wartezeit. Davon kann ich nur ein gewisses Maß ertragen.“
Der Beamte zuckte mit seinen runden Schultern. „Es ist nicht meine Sache, Ihre Motive zu widerlegen, wie gern ich es auch tun würde.“ Er deutete auf die Formulare. „Darf ich die jetzt ausfüllen, oder weigern Sie sich mitzumachen?“
„Oh, fahren Sie mit Ihrem eitlen Geschwätz fort.“
Sein Gegenüber nahm seinen Stift auf. „Verheiratet?“
„Fand nie Zeit dazu, auch wenn ich viel hatte.“
„Wirklich?“ Er schrieb das mit einem Hauch Unglauben nieder. „Also auch keine Kinder?“
„Was meinen Sie damit?“
„Sie haben niemals als Spender gewirkt?“
„Ich lehnte solche Praktiken ab“, schnauzte Mason. „Selbst, wenn sie in unserer Zivilisation als normal ablaufen.“
„Sie sind notwendig, weil sie jemandem nützen“, antwortete der andere. „Die treibende Kraft hinter der Wissenschaft unserer Tage ist das Bedürfnis, den Menschen zu helfen. Gefiel es Ihnen etwa in den barbarischen Zeitaltern besser, als die Wissenschaft sich prostituierte und Wissen falsch angewandt wurde?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich dagegen wäre. Damals war alles in einem hoffnungslosen Zustand, aber es war auch verdammt lebendig.“
„Sie mögen es also lebendig?“
„In diesem Stadium, ja.“ Mason sprach weiter, aber es schien eher, als denke er laut. „Ich besitze auf dem Mars eine Alabaster-Villa mit vierzig Hektar Kakteen-Garten. Das ist das Nonplusultra überhaupt. In vielerlei Hinsicht ist es aber ein Mausoleum. In seinem Innern kann ich meine akute Langeweile in völliger Bequemlichkeit durchleiden. Was wirklich noch an Arbeit geblieben ist, fällt den Jüngeren zu, denen, die erst ein oder zwei Mal neubegonnen haben. Die Erde ist zivilisiert. Die Venus und der Mars sind zivilisiert. Ebenso der Mond mit seinen zahllosen Schutzkuppeln. Alles ist zivilisiert, organisiert, reguliert, unter Kontrolle.“
„Überall?“ fragte der Beamte und hob die Augenbrauen.
„Selbst die Dschungel sind künstliche Wälder, errichtet zur Erbauung der Neugierigen und Verwöhnten.“ Mit einem leisen Unterton des Unwillens sprach Mason weiter. „Angefüllt mit kultivierten Pflanzen und geschickt manipulierten Tieren. Endlich liegt der Löwe neben dem Lamm! Pah!“
„Das gefällt Ihnen nicht?“
„Jahrhundertelang hatten die Chinesen einen uralten Fluch“, fuhr Mason fort. „,Mögest du in interessanten Zeiten leben’. Jetzt ist es kein Fluch mehr, es ist ein Segen. Wir sind verwissenschaftlicht und zivilisiert. Wir haben so viele Rechte und Freiheiten, daß es einen fast nach den Ketten verlangt, nur weil es Spaß macht, etwas zu haben, gegen das man kämpfen, das man zerbrechen kann. Ich denke, daß das Leben sehr viel interessanter wäre, wenn es noch Ketten gäbe, die es zu zersprengen gälte.“
„Das bezweifle ich“, sagte der Beamte. „Die Menschen sind sehr glücklich, bis sie schließlich die Frustration der Nutzlosigkeit überkommt. Bei den meisten Leuten dauert es eine sehr lange Zeit, bis es soweit ist.“ Er deutete mit seinem Stift auf die Papiere. „Bei Ihnen hat es drei Jahrhunderte gedauert, bis sie dieses Stadium erreicht haben.“
„Ja“, gab Mason zu. „Weil ich reichlich zu tun hatte. Jetzt habe ich nichts mehr. Schließlich bin ich doch für einen weiteren Neubeginn fällig. Wozu wird das gut sein? Ein Mensch kann auch zu lange leben.“ Er beugte sich vor, stützte sich mit den Händen auf den Knien ab. „Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, daß die Wissenschaft es übertrieben hat.“
„Nicht
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