Seelen-Transfer
keineswegs aus seiner morbiden Stimmung.
Als er jetzt vor dem marmornen Eingangsbogen des Terminal-Gebäudes stand, entfernte sich das Taxi mit deutlich höherer Geschwindigkeit. Der Mann warf einen letzten Blick auf den Himmel, auf die Straße, auf die gleichförmige Linie der hohen Hausdächer dazwischen. Dann stieg er die vierzig Stufen zu den schweren gläsernen Eingangstüren des Gebäudes hinauf. Anfangs gehorchten ihm seine Füße nur zögernd, fast schleppend. Dann aber überwand er die innere Bremse, und schließlich gelangte er beinahe im Laufschritt oben an.
Hinter den Eingangstüren lag ein runder Raum, in dessen Mitte sich eine gigantische Skulptur in Form einer Hand erhob, die ihren Zeigefinger ausstreckte. Dieses Gebilde war etwa sechsmal so hoch wie ein Mensch. In die Hand eingebaut hatte man ein Strahlengerät, dessen Strahlen ganz hinten im Gehirn eines Menschen wie ein telepathischer Ruf ankamen.
Halt ein! Denk nach! Was hast du unvollendet zurückgelassen?
Mit festem Schritt ging er um die Hand herum zu einem Schalter am anderen Ende des Raumes. Dank der Gummibesohlung seiner Schuhe waren seine Schritte fast nicht zu hören. Hinter dem Schalter erhob sich jetzt ein junges, hübsches Mädchen in einer weißen Uniform. Sie öffnete den Mund.
„Kann ich etwas für Sie tun, Sir?“
Er schenkte ihr ein trockenes Lächeln. „Ich fürchte, ja.“
„Oh!“ In ihren hellen blauen Augen schimmerte Verständnis. „Sie sind nicht wegen einer Information hier? Sie möchten gern …?“
„Ja“, sagte er nur. Seine Stimme hallte in dem kleinen Saal mehrmals wider. „Ja.“
„Dritte Tür rechts“, flüsterte sie.
Die Hand aus Granit ließ sich wieder hören. Halt ein! Denk nach! Was hast du unvollendet zurückgelassen?
„Danke.“
Sie sah ihm nach, bis er die Tür erreicht hatte, sie aufgestoßen und sie passiert hatte. Selbst nachdem er verschwunden war, blieb ihr Blick auf der Tür haften, so, als wolle sie mit dem, was immer jetzt geschah, nichts zu tun haben.
Der Mann, der sich in dem Zimmer hinter der dritten Tür befand, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einem beamteten Vollstrecker. Er war untersetzt, jovial und sprang eilig auf, als sein Besucher durch die Tür kam. Eifrig schüttelte er ihm die Hand und bot ihm einen Sitzplatz an. Dann verschwand er wieder in seinem Sessel, schob einen Stapel Papiere in eine genehme Position vor sich, ergriff einen Schreibstift, beäugte den Besucher fragend.
„Ihr Name?“
„Douglas Mason.“
Sorgfältig schrieb er es nieder. „Wohnhaft auf Terra?“
„Mars.“
„Mars, hm. Ihr Alter?“
„Zweihundertundsiebenundachtzig.“
„Ah, dann ist das also Ihr dritter Neubeginn?“
„Ja.“ Mason rutschte auf seinem Stuhl herum. „Müssen wir selbst dafür Formulare ausfüllen?“
„Überhaupt nicht.“ Der Beamte musterte ihn aufmerksam, stellte fest, daß er einen großen, schlanken, in Grau gekleideten, müden Herren vor sich hatte. „Ein zivilisierter Staat erhebt keinerlei Anspruch auf das Leben auch nur eines einzigen Bürgers. Jedermann hat das unveräußerliche Recht, aus jedem ihm ausreichend erscheinenden Grund oder auch aus gar keinem Grund sein Leben zu beenden. Vorausgesetzt immer, daß die Methode, dies zu erreichen, keine Gefahr, Bedrohung oder Belästigung seiner Mitbürger darstellt.“
„Ich kenne meine Rechte“, versicherte Mason ihm.
„Daher“, fuhr der Beamte in einer Art fort, die erkennen ließ, daß er dieses Ritual schon sehr oft durchgemacht hatte, „müssen wir Ihre Entscheidung akzeptieren, ganz gleich, ob Sie bereit sind oder nicht, in dieser Angelegenheit Formulare auszufüllen oder nicht. Wenn Sie unsere Fragen nicht beantworten möchten, so macht das keinen Unterschied – allerdings sind die Daten, die wir brauchen, äußerst nützlich, und wir würden uns über Ihre Hilfe freuen. Es gibt nicht viele Fragen, wenn, soweit es Sie betrifft, nur noch so wenig überhaupt zu fragen ist.“
„Hilfe?“ Mason rieb sich das Kinn. Dann lächelte er genauso trocken wie draußen bei dem Mädchen. „Ich habe den Eindruck, daß ich niemandem mehr eine Hilfe sein kann.“
„Viele haben diese Vorstellung. Normalerweise irren sie sich. Ja“, fuhr der dicke Mann mit noch jovialerem Unterton fort, „ich habe in meinen zwanzig Dienst jähren hier noch keinen Menschen kennengelernt, der völlig nutzlos war.“
„Ich habe den Verdacht, daß Sie mir die Sache ausreden sollen“, sagte Mason. „Ich habe mich
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