Seelen
normalen Ich entfernt.
Als ich sprach, war meine Stimme vollkommen ruhig und tonlos. »Es muss eine Möglichkeit geben.«
Jared nickte. »Vielleicht in einem kleinen Krankenhaus. Das Gewehr wäre zu laut, aber wenn genug von uns mitkämen, um sie zu überwältigen, könnten wir Messer nehmen …«
»Nein.« Ich faltete entsetzt die Hände auseinander. »Nein. Das habe ich nicht gemeint. Nicht töten …«
Niemand hörte auf mich. Jeb diskutierte mit Jared.
»Das geht nicht, Junge. Irgendjemand würde den Suchern Bescheid sagen. Selbst wenn wir es hinein- und wieder herausschaffen würden, würde sie das auf unsere Spur bringen. Es wäre schwer genug, überhaupt da herauszukommen. Aber dann würden sie uns folgen …«
»Wartet. Könnt ihr nicht…«
Es hörte mir immer noch niemand zu.
»Ich will auch nicht, dass der Junge stirbt, aber wir können nicht unser aller Leben für eine Person riskieren«, sagte Kyle. »Hier wird nun mal gestorben, das kommt eben vor. Wir dürfen nicht den Kopf verlieren, nur um einen Jungen zu retten.«
Ich wollte ihn würgen, ihm die Luft abdrücken, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ich, nicht Melanie. Ich war diejenige, die sich wünschte, dass sein Gesicht blau anlief. Melanie fühlte ebenso, aber mir war bewusst, wie viel dieser Gewalt direkt aus mir kam.
»Wir müssen ihn retten«, sagte ich, lauter jetzt.
Jeb sah mich an. »Kleines, wir können nicht einfach da reingehen und fragen.«
In diesem Augenblick wurde mir noch eine sehr einfache und offensichtliche Wahrheit bewusst.
»Ihr nicht. Aber ich.«
Es wurde totenstill.
Ich war ganz von der Brillanz des Plans gefangen genommen, der in meinem Kopf Gestalt annahm. Seiner Perfektion. Ich redete vor allem mit mir selbst und mit Melanie. Sie war beeindruckt. Es würde funktionieren. Wir könnten Jamie retten.
»Sie sind nicht misstrauisch. Überhaupt nicht. Obwohl ich eine miserable Lügnerin bin, würden sie mich nicht verdächtigen. Sie rechnen nicht mit Lügen. Natürlich nicht. Ich bin eine von ihnen. Sie würden alles tun, um mir zu helfen. Ich würde sagen, ich hätte mich beim Wandern verletzt oder so … Und dann würde ich sie irgendwie dazu bringen, mich allein zu lassen, und so viel mitnehmen, wie ich einstecken könnte. Stellt euch das vor! Ich könnte genug Medikamente besorgen, um alle hier zu heilen. Auf Jahre. Und Jamie wird wieder gesund! Warum ist mir das bloß nicht früher eingefallen? Vielleicht wäre es sogar für Walter noch nicht zu spät gewesen …«
Dann sah ich mit leuchtenden Augen auf. Es war einfach perfekt!
So perfekt, so absolut richtig, in meinen Augen so offensichtlich, dass ich ewig brauchte, um den Ausdruck in ihren Gesichtern zu deuten. Wenn Kyles Miene nicht gewesen wäre, hätte es vielleicht noch länger gedauert.
Hass. Misstrauen. Angst.
Sogar Jebs Pokerface war nicht teilnahmslos. Seine Augen waren schmal vor Argwohn.
Alle Gesichter sagten Nein .
Sind sie wahnsinnig? Begreifen sie nicht, wie sehr das uns allen helfen würde?
Sie glauben mir nicht. Sie denken, ich würde ihnen wehtun, Jamie wehtun!
»Bitte«, flüsterte ich. »Es ist die einzige Möglichkeit, um ihn zu retten.«
»Geduldig, was?«, stieß Kyle hervor. »Es hat den richtigen Moment abgewartet, meint ihr nicht?«
Ich unterdrückte das erneut aufkeimende Verlangen, ihn zu würgen.
»Doc?«, flehte ich.
Er sah mich nicht an. »Selbst wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, dich hinauszulassen, Wanda … Ich kann nicht einfach auf Medikamente vertrauen, die ich nicht kenne. Jamie ist ein kräftiger Junge. Sein Immunsystem wird damit fertig …«
»Wir ziehen wieder los, Wanda«, murmelte Ian. »Wir werden etwas finden. Vorher kommen wir nicht zurück.«
»Das reicht nicht.« Mir traten die Tränen in die Augen. Ich sah den einzigen Menschen an, der vermutlich genauso viel Schmerz empfand wie ich. »Jared. Du weißt es. Du weißt , ich würde niemals zulassen, dass jemand Jamie etwas tut. Du weißt, ich kann es. Bitte.«
Er sah mich lange an. Dann blickte er allen anderen ins Gesicht. Jeb, Doc, Kyle, Ian, Trudy. Zur Tür hinaus auf die schweigende Zuhörerschaft, deren Gesichter Kyles Miene widerspiegelten: Sharon, Violetta, Lucina, Reid, Geoffrey, Heath, Heidi, Andy, Aaron, Wes, Lily, Carol. Meine Freunde und meine Feinde, alle mit Kyles Gesichtsausdruck. Er blickte in die nächste Reihe, die ich nicht mehr sehen konnte. Dann sah er auf Jamie hinab. Im ganzen Raum war kein Atemhauch zu hören.
»Nein,
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