Seelen
zu beschützen, halb vor dem Doktor zu stehen kam.
»Wir sollten keine Gelegenheit verschenken«, sagte sie scharf. »Uns allen ist klar, dass das hart für dich ist, Jared, aber letzten Endes ist es nicht deine Entscheidung. Wir müssen abwägen, was das Beste für uns alle ist.«
Jared funkelte sie an. »Nein«, knurrte er.
Es war offensichtlich, dass er das Wort nicht geflüstert hatte, trotzdem klang es in meinen Ohren ganz leise. Alles war plötzlich ganz leise. Sharons Lippen bewegten sich, sie fuchtelte mit dem Finger vor Jareds Nase herum, aber alles, was ich hörte, war ein sanftes Wispern. Keiner von beiden tat einen Schritt, aber sie schienen von mir wegzutreiben.
Ich sah, wie die dunkelhaarigen Brüder mit wütenden Gesichtern auf Jared zugingen. Ich merkte, wie meine Hand sich aus Protest zu heben versuchte, aber sie zuckte nur schwach. Jareds Gesicht lief rot an, als seine Lippen sich teilten, und die Sehnen an seinem Hals spannten sich, als würde er schreien, aber ich hörte nichts. Jeb ließ meinen Arm los und ich sah, wie sich der mattgraue Gewehrlauf neben mir hob. Ich zuckte vor der Waffe zurück, obwohl sie nicht auf mich gerichtet war. Das brachte mich aus dem Gleichgewicht und ich konnte zusehen, wie der Raum ganz langsam zur Seite kippte.
»Jamie«, flüsterte ich, als das Licht in meinen Augen schwand. Jareds grimmiges Gesicht war plötzlich ganz nah über mich gebeugt.
»Jamie?«, flüsterte ich erneut, diesmal als Frage. »Jamie?«
Jebs raue Stimme antwortete von irgendwoher aus weiter Ferne.
»Dem Jungen geht’s gut. Jared hat ihn hergebracht.«
Ich sah zu, wie Jareds gequältes Gesicht von dem dunklen Nebel verschluckt wurde, der meine Augen trübte.
»Danke«, flüsterte ich.
Und dann war um mich herum nichts als Dunkelheit.
Menü
B ewacht
A ls ich zu mir kam, hatte ich sofort meine Orientierung wieder. Ich wusste genau, wo ich war - zumindest grob -, hielt jedoch meine Augen geschlossen und atmete gleichmäßig weiter. Ich versuchte, so viel wie möglich über meine Lage herauszubekommen, ohne preiszugeben, dass ich wieder bei Bewusstsein war.
Ich hatte Hunger. Mein Magen verknotete und verkrampfte sich und machte wütende Geräusche. Ich bezweifelte, dass mich diese Geräusche verraten würden - ich war sicher, er hatte auch geknurrt und sich beklagt, während ich schlief.
Mein Kopf tat furchtbar weh. Ich konnte jedoch nicht sagen, wie viel davon der Müdigkeit zuzuschreiben war und wie viel den Schlägen, die ich eingesteckt hatte.
Ich lag auf einem harten Untergrund. Er war rau und … buckelig. Außerdem fühlte er sich seltsam gebogen an, als läge ich in einer flachen Schale. Es war unbequem. Mein Rücken und meine Hüften pochten aufgrund der gekrümmten Stellung, und wahrscheinlich hatte mich dieser Schmerz auch geweckt; ich fühlte mich alles andere als ausgeruht.
Es war dunkel - das wusste ich, ohne die Augen zu öffnen. Nicht pechschwarz, aber sehr dunkel.
Die Luft roch noch modriger als vorher - feucht und gammelig. Sie war von einer eigentümlich beißenden Schärfe, die mir in der Kehle brannte. Es war kühler als in der Wüste, aber durch die Feuchtigkeit, die nicht hierher zupassen schien, war es fast genauso unangenehm. Ich schwitzte schon wieder; all das Wasser, das Jeb mir gegeben hatte, fand den Weg durch meine Poren nach draußen.
Ganz in der Nähe konnte ich das Echo meines Atems hören. Möglicherweise lag ich nur direkt neben einer einzelnen Wand, aber es kam mir so vor, als befände ich mich in einem sehr kleinen Raum. Ich lauschte, so konzentriert ich konnte, und es klang so, als hallte mein Atem auch von der anderen Seite wider.
Da ich wusste, dass ich wahrscheinlich immer noch irgendwo in dem Höhlensystem war, in das Jeb mich gebracht hatte, war ich ziemlich sicher, was ich sehen würde, sobald ich die Augen aufmachte. Ich musste, in irgendeinem kleinen Loch in der dunklen rötlichen Felswand liegen.
Abgesehen von den Geräuschen, die mein Körper machte, war es still. Da ich Angst hatte, die Augen zu öffnen, versuchte ich stattdessen mit meinen Ohren die Stille zu durchdringen. Ich konnte sonst niemanden hören und das ergab keinen Sinn. Sie würden mich doch hier nicht ohne Bewachung zurückgelassen haben. Ohne Onkel Jeb und sein allgegenwärtiges Gewehr oder irgendjemanden, der mir weniger wohlgesinnt war. Mich allein zu lassen … das passte nicht zu ihrer Brutalität, ihrer tiefsitzenden Angst vor mir und dem Hass auf das, was
Weitere Kostenlose Bücher