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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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uns in sein Konto hacken.«
    Clara hob die Augenbrauen. »Interessant. Was habt ihr gefunden?«
    Hermann zog einen Ausdruck hervor. Eine Mail, zwei Wochen alt. »Das erklärt einiges. Hier. Das ist die erste Mail. Das Account ist schon wieder gelöscht worden. Wahrscheinlich ist es von denen, die seine Wohnung durchsucht haben.«
    Clara las:
    Wir weilen in den Lagern fern von den Menschen, an den grauen Ufern der Zeit, jenseits vom Ende der Welt. Wir werden nicht dulden, wenn einer unserer Diener untreu wird. Unser Herr toleriert keine Schwäche, er toleriert keine Flucht.
    Die Feigen, die Schwachen und die Untreuen werden hingerichtet. Langsam. Und grausam.
    Überlege dir, zu welcher Gruppe du gehören willst.
    DIE VOLLSTRECKER
    »Und hier«, sagte Hermann, »ist die Antwort.«
    Ich will nichts mehr mit euch zu tun haben. Lasst mich in Frieden. Ich habe den letzten Stick an einem sicheren Ort verwahrt. Nur ich weiß, wo er ist. Wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst, geht der Stick an die Polizei.
    HENDRIK
    »Ein Stick«, sagte Clara fassungslos. »Es ist tatsächlich von einem Stick die Rede. Als ob ich es nicht befürchtet hätte. Und er scheint sehr wichtig zu sein, für wen auch immer.«
    »So wichtig, dass ein Mensch deshalb Selbstmord begeht? Weil er die Konsequenzen fürchtet, wenn er von den falschen Leuten gefasst wird?«
    »Oder der auf irgendeine Weise dazu gebracht wird, Selbstmord zu begehen, damit er niemandem den Aufbewahrungsort des Sticks verraten kann.«
    Hermann lehnte sich zurück. »Und der den Schlüssel dazu in seinem Magen aufbewahrt.«
    Clara seufzte.
    »Es bleibt dabei«, sagte sie. »Wir müssen dieses verdammte Schließfach finden. Die Lösung ist dort. Oder nirgends.«

19
    Es regnete noch immer. Clara saß wieder in MacDeaths Büro und wartete, was für einen exotischen Typen er aus dem Hut zaubern würde.
    »Der Mann, der uns vielleicht helfen könnte, lebt in Rom«, sagte MacDeath und blickte Clara erwartungsvoll an. »Ich kenne ihn nur indirekt und habe ihn auch nur einmal gesehen. Aber ein guter Kollege von mir hat uns damals einander vorgestellt.« Er schenkte sich Tee nach. »Es war Professor di Silva, ein Experte für Grenzgebiete der Geisteskrankheit und der rituellen Beeinflussung. Di Silva hat damals ein psychiatrisches Kolloquium zu Fragen der Psychopathologie und Parapsychologie an der Universität von Bologna gehalten und einen ziemlich exotischen Gastredner eingeladen. Dieser Mann berät die italienische Polizei in Rom, wenn es um satanistische Verbrechen geht. Er kennt sich mit Satans- und Hexenkulten nicht nur in Italien aus, sondern in ganz Europa. Er vertritt die Meinung, dass die Grenze zwischen natürlichen und übernatürlichen Phänomenen fließend ist, weil er es nach eigener Aussage oft genug erlebt hat.« MacDeath pustete in seinen Tee. Clara fragte sich, ob er endlich zur Sache kommen und ihr sagen würde, um wen es sich handelte.
    »Und dieser di Silva dachte, das könnte Sie interessieren?«, fragte Clara.
    »Richtig. Er sagte, dieser Mann und ich würden beide gegen böse Mächte kämpfen und wären deshalb so etwas wie Kollegen, wenn nicht sogar Verbündete.« Er schlug ein Bein über das andere. »Und dann hat er mir diesen alten, eleganten, aber irgendwie auch Furcht einflößenden Herrn vorgestellt, der sich in Fragen der Pathopsychologie bestens auskannte, obwohl er gar nicht danach aussah.«
    »Wie sah er denn aus?« Clara beugte sich nach vorne.
    »Er trug eine schwarze Soutane. Und um den Hals ein großes silbernes Kreuz.«
    »Ein Priester?«
    »Nicht nur.« MacDeath lächelte. »Ein Exorzist.«

20
    Es war bereits Nacht.
    Ein Exorzist, hatte MacDeath gesagt. Clara hatte gehört, dass bei religiösem Wahn oft nur eine religiös behaftete Heilung half. Also half nicht der Exorzist, sondern der Glaube daran, dass nur eine »gute« Religion die »böse« austreiben kann. Manche mochten den Exorzismus für überaltet halten, doch es gab ihn noch heute, und er hatte teils dramatische Folgen, etwa in dem Fall der Anneliese Michels in Bayern. Dort war es in den Siebzigerjahren zu seltsamen Begebenheiten gekommen. Angeblich war die Frau vom Teufel besessen gewesen und starb bei den Austreibungen.
    Doch war dieses Motiv wirklich so unwahrscheinlich? Warum sollte der Fürst der Finsternis selbst nicht Vorbild für die grausamsten Mörder sein? Hatte nicht Richard Ramirez den Richter mit den Worten »Heil Satan« begrüßt? Und hatte Charles Manson, der

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