Seelenband
kleine Gestalt. Schlagartig fiel Valerie alles ein und sie setzte sich ruckartig auf. John war fort! Sie sah aus dem Fenster, die Sonne ging gerade auf, dann fiel ihr Blick auf ein Stück weißes Papier, auf dem ihr Name stand. Sie sprang auf. Sie hatte keine Zeit zu verlieren. John konnte noch nicht lange weg sein. Wenn sie sich beeilte, konnte sie ihn vielleicht noch einholen. Warum hatte er das nur getan?! Hektisch zog sie sich ihre Jeans, ein Sweatshirt und ein paar Turnschuhe an, dann versuchte sie, Nalla aufzuwecken. Es gelang ihr nicht und Valerie gab den Versuch schnell auf. Sie hatte keine Zeit zu verlieren, und außerdem war es vielleicht sogar besser so. Sie nahm das schlafende Kind in ihre Arme und rannte mit ihr die Treppe hinunter.
Valerie schnappte sich den Autoschlüssel und legte Nalla auf den Beifahrersitz. Der Sportplatz, von dem der Mann gesprochen hatte, war nicht weit. John war bestimmt zu Fuß gegangen, vielleicht würde sie ihn noch einholen können. Sie sprang auf den Fahrersitz und gab Gas.
Das Auto fuhr holpernd über die staubige Landstraße, aber das kümmerte Valerie nicht. Sie fuhr so schnell, dass sie in einer Kurve beinah die Kontrolle über das Auto verloren hätte und ging frustriert etwas vom Gas.
Je weiter sie kam, desto heftiger schlug ihr Herz. Sie konnte unterwegs keine Spur von John entdecken. Die Fahrt hatte nur fünf Minuten gedauert, aber Valerie kam sie wie ein ganzes Leben vor. In diesen fünf Minuten hatte sie den ganzen Weg von verzweifelter Hoffnung bis zu hoffnungsloser Verzweiflung zurückgelegt. Angst griff mit eisigen Fingern nach ihrem Herzen. Sie hatte John verloren. Sie weigerte sich noch zu verstehen, wie das möglich sein sollte, aber tief innen wusste sie bereits, dass es so war.
Dennoch musste sie Gewissheit haben. Sie parkte das Auto im Schutz einiger Bäume, die den Sportplatz säumten, dann lief sie vorsichtig zum Eingangstor.
John stand da, aufrecht und stolz, und doch schien die Verzweiflung in fast körperlich spürbaren Wellen aus seinem Körper zu strömen. Valeries Herz stockte. Sie war nur wenige Augenblicke zu spät gekommen.
Plötzlich wandte John den Kopf und sah sie an. Er musste ihre Gegenwart gespürt haben. Und Valerie schlug sich die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Seine Augen waren noch hell, noch zeigten sie nicht die furchtbare Leere, die ihn am Anfang ihrer Bekanntschaft beherrscht hatte. Aber sein Gesicht hatte denselben unheimlichen Ausdruck, als wäre er bereits tot, obwohl er ging und sprach und atmete.
Valerie lief einige Schritte auf ihn zu, doch er schüttelte kaum merklich den Kopf und die Sorge um sie schien ihm wieder ein wenig Leben einzuflößen.
Fassungslos sah Valerie zu, wie die zwei Männer auf ihn zu traten und John seine Arme vorstreckte. Einer legte ihm etwas um die Handgelenke, um sie zu fesseln. Dann nickte er auffordernd mit dem Kopf. Valeries Blick folgte der Richtung, in die er gezeigt hatte, und sie erstarrte. Ihre Aufmerksamkeit war so von John gefesselt gewesen, dass sie das Raumschiff, das auf dem Sportplatz stand, noch gar nicht bemerkt hatte. Die drei Männer setzten sich in Bewegung und Valerie überlegte fieberhaft, wie sie das verhindern konnte. War John erst einmal dort drin, war er für sie für immer verloren.
Das konnte sie nicht zulassen! Zumindest nicht, ohne sich von ihm zu verabschieden. Noch bevor sie wusste, was sie da tat, rannte sie auf die drei Männer zu.
"Wartet!" schrie sie und Tränen rannen ihr über die Wangen.
John blieb stehen, obwohl die anderen beiden ihn vorwärts zu ziehen versuchten. Er stemmte beide Beine fest in die Erde und blickte wie gebannt auf Valerie. Er konnte dem Flehen in ihrer Stimme und ihrem Schmerz einfach nicht widerstehen.
Als sie die Männer erreichte, blieb sie keuchend stehen und sah John unsicher an.
Sie erkannte die beiden Männer, die John gefangen hielten. Das waren dieselben, die sie am Vortag besucht hatten. Der ältere neigte den Kopf und sah sie prüfend an. Valerie wusste, dass er ihre Emotionen studierte, und sie fühlte sich nackt und ausgeliefert. Sie versuchte, ihre Gefühle zu beherrschen, auch wenn sie wusste, dass es sinnlos war. Sie war völlig von der Angst um John erfüllt.
Der Mann wandte sich von ihr ab und sah John verächtlich an. "Du bist abscheulich", stieß er angeekelt hervor.
Valerie schnappte empört nach Luft, doch John blieb völlig ruhig. Er schien die Männer vor ihm kaum noch wahrzunehmen, so intensiv sah
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