Seelenband
hinweg kommen", fügte sie hinzu. "Deine Spezies ist nicht wie die unsere."
Valerie schnappte empört nach Luft. Wie konnten sie sich immer wieder erdreisten, ihr zu erzählen, ihre Gefühle wären nicht tief oder echt?
"Wir erwarten nicht, dass du das verstehst", sagte die Frau sanft. "Aber Thebeliam bekommt die Chance, nach Hause zu kommen, sein Leben in Frieden gemäß den heiligen Traditionen unseres Volkes zu beschließen. So, wie es sein sollte. Er wird endlich mit Inara vereint sein." Sie wandte sich John zu. "Komm jetzt, Thebeliam. Du weißt, dass es richtig ist. Du weißt, dass Inara bei den Seelen auf dich wartet und sich nach dir verzehrt. Es wäre grausam, sie noch länger warten zu lassen."
Zu Valeries Horror nickte John langsam. Er schien dennoch nicht im Stande zu sein, sich von ihr loszureißen.
"Komm jetzt." Die Frau kam näher und ergriff seine Hand. Dabei fiel ihr Blick auf seine Bindungsringe und sie schüttelte missbilligend den Kopf. "Du hast dich neu verbunden?" fragte sie tadelnd. "Mit ihr?" fügte sie mit einem Blick auf Valerie hinzu.
John nickte trotzig.
"Damit hast du gegen unser heiligstes Gesetz verstoßen", sagte sie traurig. "Allein das wird mit dem Tod bestraft."
"Dann bin ich nicht der erste", sagte John mit grimmiger Genugtuung in der Stimme.
"Nein, leider nicht. Ab und zu kommt diese Anomalität vor. Doch die Betroffenen erkennen schnell, wie falsch das ist. So wie du es zweifelsfrei auch schon weißt." Sie zog an Johns Hand. "Bitte zwing mich nicht, Gewalt anzuwenden."
Ohne den Blick von Valerie abzuwenden, stand John mühevoll auf. Als er sich langsam umdrehte und zur Rampe des Raumschiffes stolperte, klangen Valeries verzweifelte Schreie in seinen Ohren.
Sein Herz zerriss zwischen dem Wunsch, bei ihr zu sein, sie zu trösten, sie wenigstens noch einmal zu sehen, und der Gewissheit, dass er keinen Schritt würde gehen können, wenn er sie ansah. Dann würden sie ihn betäuben, von ihr fortschleifen, ihn womöglich sogar töten müssen, und den Anblick wollte er ihr um alles in der Welt ersparen. Während er langsam einen Fuß vor den anderen setzte, spürte er Valeries Schmerz neben seinem eigenen und er hätte nicht sagen können, wo seiner aufhörte und ihrer begann. Es spielte eigentlich auch keine Rolle, sie waren beide unerträglich. Es war so viel schlimmer als Inaras Tod. Sie hatte wenigstens nicht lange leiden müssen, und er hatte nur seinen eigenen Schmerz gehabt, mit dem er zurecht kommen musste. Nun wurde alles durch Valeries Emotionen ins Unermessliche verstärkt. Und er wusste, dass, selbst wenn er fort, weit weg und tot war, ihr Leid nicht aufhören würde. Sie würde es überleben und eines Tages würde sie auch darüber hinwegkommen, aber sie würde nie wieder die alte sein. Ihr standen nun Monate, vielleicht Jahre einer Existenz bevor, wie er sie nach Inaras Tod erlebt hatte. Und es war allein seine Schuld.
"Ich halte das nicht mehr aus!" rief plötzlich der junge Wächter neben ihm aus und presste sich die Hände an die Ohren. "Er soll aufhören!"
John warf ihm einen teilnahmslosen Blick zu. Der junge Mann war bleich und er zitterte. Der Ältere und die Frau waren gefasster, aber auch ihnen schien es nicht deutlich besser zu gehen. John zuckte mit den Schultern. Er hatte kein Mitleid für sie. Sie spürten nur einen Abklatsch dessen, was in seiner Seele tobte.
"Hier, leg ihm das um", sagte die Frau und reichte dem jungen Mann einen glänzenden Ring von ungefähr zwanzig Zentimetern im Durchmesser, der in zwei Hälften geklappt war. John wusste, was das war. Er hatte diese Dinger im Krankenhaus gesehen und wehrte sich nicht, als der Wächter ihn um seinen Hals legte. Das Halsband würde seine Emotionen abschirmen, damit die anderen sie nicht spüren mussten.
"Es funktioniert nicht!" krächzte der junge Wächter gequält.
Die Frau runzelte die Stirn und sah John genau an. Dann ließ sie ihren Blick ungläubig zu Valerie herüber wandern. "Es ist die Frau", sagte sie erschüttert. Dann sah sie John fest an. "Ich dachte, diese Spezies bindet sich nicht?"
"Nicht so, wie wir das kennen", stieß er hervor. "Doch nicht weniger stark."
"Das ist unmöglich!" sagte die Frau entschieden. "Es kann nicht vergleichbar sein. Sie sind nicht empathisch."
"Aber du spürst ihren Schmerz, ihre Verzweiflung und ihre Trauer, oder etwa nicht?" Herausfordernd blickte John sie an.
Sie dachte kurz nach. "Das wird vergehen", sagte sie schließlich.
"Woher willst du das wissen?" Johns
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