Seelengesaenge
nicht allzu lange in meiner Nähe zu bleiben. Falls doch, werden Sie sterben. War das jetzt deutlich genug?«
Cherri wußte nicht, was sie antworten sollte. Sicher, sie hatten gewußt, daß Dr. Alkad Mzu eine Art Dissidentin war, aber niemand hatte geahnt, daß ihre Flucht einen derartigen Wirbel auslösen könnte. Und warum sollte Tranquility – wahrscheinlich mit Wissen und Hilfe der Lady Ruin – dem Königreich von Kulu auch noch dabei helfen, Dr. Mzu festzuhalten? Alles in allem entwickelte sich Alkad Mzu zu einem verdammten Ärgernis.
Alkad wandte sich per Datavis an den Bordrechner und bat um eine direkte Verbindung mit dem Blackhawk. »Udat?«
»Ja, Dr. Mzu?«
»Wir müssen von hier verschwinden.«
»Mein Kommandant ist verletzt. Sein Verstand ist verdunkelt und schwach. Ich empfinde Schmerzen, wenn ich versuche zu denken.«
»Es tut mir leid wegen Meyer, aber wir können auf keinen Fall hierbleiben. Die Blackhawks von Tranquility wissen genau, wohin du weggetaucht bist. Die Lady Ruin wird sie hinter uns herschicken. Sie werden uns alle fangen und zurückbringen.«
»Ich will aber nicht zurück. Tranquility versetzt mich in große Furcht. Ich dachte immer, Tranquility wäre mein Freund.«
»Ein Tauchmanöver, das ist alles. Nur ein ganz kleines. Ein einziges Lichtjahr reicht vollkommen aus, die Richtung ist gleichgültig. Dann kann uns kein Blackhawk mehr folgen, und wir können in Ruhe überlegen, was als nächstes zu tun ist.«
»Also schön. Ein Lichtjahr.«
Cherri hatte ihren Anzugkragen bereits abgelegt, als sie die vertraute winzige Störung der lokalen Gravitation verspürte, die anzeigte, daß das Raumverzerrungsfeld der Udat im Begriff stand, einen Wurmloch-Zwischenraum zu öffnen. »Sehr schlau«, sagte sie zu Alkad Mzu und grinste bissig. »Ich hoffe verdammt noch mal nur, daß Sie wissen, was Sie tun. BiTek-Raumschiffe springen normalerweise nicht durch den Zwischenraum, ohne daß ihre Kommandanten sie beaufsichtigen.«
»Das ist ein Irrglaube, den Sie wirklich schnellstens aufgeben sollten«, erwiderte Alkad müde. »Voidhawks und Blackhawks sind um ein Beträchtliches intelligenter als wir Menschen.«
»Aber ihre Persönlichkeiten sind vollkommen anders geartet.«
»Na und? Es ist geschehen, und wie mir scheint, leben wir noch. Gibt es sonst noch etwas, über das Sie sich beschweren möchten?«
Cherri ignorierte die kleine Frau und machte sich daran, in einen Schiffsoverall zu schlüpfen.
»Könnten Sie mir bitte helfen, meinen Rucksack über die Schultern zu ziehen?« fragte Alkad. »Ich kann meine Hände gegenwärtig nicht benutzen. Unsere Flucht aus Tranquility war doch ein wenig überstürzter, als ich eigentlich angenommen hatte. Ich benötige dringend ein paar nanonische Medipacks.«
»Kein Problem, Haltam kann Ihnen genügend davon geben. Sie finden ihn auf der Brücke, wo er sich um Meyer kümmert. Ich trage Ihren Rucksack solange.«
»Nein. Hängen Sie ihn mir über. Ich trage ihn lieber selbst.«
Cherri biß die Zähne zusammen und unterdrückte einen resignierten Seufzer. Sie wollte dringend mit eigenen Augen sehen, wie schlimm es um Meyer bestellt war. Sie machte sich Sorgen über die Reaktionen des Blackhawks, falls der Kommandant für zu lange Zeit bewußtlos blieb. Nach und nach versiegte der Adrenalinschwall, den ihre Flucht ausgelöst hatte, und sie drohte in reine Depressionen zu fallen. Und in Gegenwart dieser kleinen Frau war sie ungefähr genauso sicher, als würde sie ihr Gewicht in reinem Plutonium durch die Gegend schleppen.
»Was haben Sie denn in diesem Rucksack?«
»Zerbrechen Sie sich darüber lieber nicht den Kopf.«
Cherri packte den Rucksack an den Tragriemen und hielt ihn vor Dr. Mzus unbewegtes Gesicht. Nach seinem Gewicht zu urteilen konnte nicht viel darin sein, und doch … »Aber ich würde es gerne wissen!«
»Sehr viel Geld. Und noch viel mehr Informationen, von denen Sie allerdings nicht das geringste verstehen würden. Schön, Sie haben mich bereits an Bord geholt, was ausreicht, um Ihnen allen den Tod zu bringen, falls wir entdeckt werden. Und falls die Geheimdienste erfahren, daß Sie den Rucksack mitsamt seinem Inhalt buchstäblich in den eigenen Händen gehalten haben, würde man Sie schnurstracks einer Persönlichkeitsextraktion unterziehen, nur um herauszufinden, wieviel dieser Inhalt wiegt. Wollen Sie die Lage wirklich noch weiter verschlimmern, indem Sie einen Blick hineinwerfen?«
Was Cherri am liebsten getan hätte:
Weitere Kostenlose Bücher