Seelengesaenge
dieser Dr. Mzu den Rucksack gegen den Schädel schwingen. Meyer hatte den größten Fehler seines Lebens begangen, als er sich bereit erklärt hatte, diese absurde Fluchtmission zu übernehmen. Sie konnte nichts weiter tun als beten, daß es sich nicht als Meyers letzter Fehler erwies.
»Ganz wie Sie meinen«, antwortete Cherri mit mühsamer Beherrschung.
Der Raumhafen von San Angeles befand sich am südlichen Rand der Metropole: ein Quadrat von zehn Kilometern Seitenlänge, eine eigene Stadt aus Maschinen und Technologie. Die Erde war planiert und weitläufig mit Carbo-Beton vergossen, dann waren Straßen, Vorfelder und Landeflächen hinzugekommen. Hunderte von Hangars der verschiedensten Liniengesellschaften sowie Frachtterminals beherbergten ein wirtschaftliches Potential, das ein gutes Fünftel des gesamten Orbitalverkehrs des Planeten ausmachte. Zwischen den langen Reihen identischer standardisierter Hangars und Büroblocks aus Komposit war lediglich das Passagierterminal ein wenig von architektonischer Phantasie geprägt. Es erinnerte an die Art von Raumschiff, die wahrscheinlich eines Tages erbaut worden wären, hätten die Notwendigkeiten des ZTT-Sprunges den Raumfahrtkonzernen nicht eine kugelförmige Zelle aufgezwängt. Eine von weichen Konturen geprägte Mischung aus industrieller Mikroschwerkraftraffinerie und Hyperschallflieger, die mit ihrer mächtigen technisch-gotischen Silhouette den Horizont dominierte. Das Gebäude erweckte beim Betrachter den Eindruck, als würde es sich im nächsten Augenblick eifersüchtig auf die vergleichsweise winzigen Raumflugzeuge mit ihren Deltaflügeln stürzen, die sich unter seinen mächtigen Flügeln duckten, um ihre Passagiere zu entlassen oder neue aufzunehmen.
Jezzibella würdigte es keinen Blickes. Sie saß mit geschlossenen Augen im Wagen auf dem Weg zum Raumhafen. Es war noch früher Morgen, und sie schlief zwar nicht mehr, doch ihr Gehirn war definitiv noch nicht ganz wach. Diese Kinder vom Konzert – wie auch immer sie geheißen haben mochten – sie hatten sich in der letzten Nacht als wertlos erwiesen. Ihre Ehrfurcht vor Jezzibella hatte ihre Gefühle füreinander gestört. Jetzt wollte Jezzibella nur noch weg. Weg von dieser Welt. Weg aus dieser Galaxis. Wie immer voller Hoffnung, daß das Raumschiff sie zu einem Ort brachte, wo etwas Neues auf sie wartete. Daß die nächste Welt anders sein würde.
Leroy und Libby saßen im gleichen Wagen wie sie, schweigsam und regungslos. Sie kannten diese Stimmung. Es war immer das Gleiche, wenn Jezzibella eine Welt verließ. Und jedesmal ein wenig intensiver als vorher.
Leroy war ziemlich sicher, daß diese unausgesprochene Sehnsucht einer der Gründe war, aus denen Jezzibella bei den Kids so gut ankam, daß die Kids sich mit diesem umfassenden Gefühl von bestürzter Verzweiflung und Verlust identifizieren konnten. Natürlich würde Leroy diese Stimmungen im Auge behalten müssen. Jetzt im Augenblick war es nichts weiter als das übliche Leiden des Künstlers, eine pervertierte Muse. Doch irgendwann konnte sich daraus eine schwere Depression entwickeln, wenn Leroy nicht vorsichtig war.
Noch etwas, worauf er achten mußte. Noch mehr Streß. Nicht, daß er es anders lieber gehabt hätte.
Die elf Wagen, aus denen Jezzibellas Tourneekonvoi bestand, glitten auf den VIP-Parklatz unter einem der weit ausladenden Flügel des Terminals. Leroy hatte sich für einen frühen Abflug entschieden, weil zu dieser Zeit am Raumhafen noch kein so starker Betrieb herrschte. Die offiziellen Formalitäten sollten sich ohne größere Probleme bewältigen lassen.
Vielleicht war das der Grund, weshalb keiner der Leibwächter spürte, daß etwas nicht stimmte. Sie suchten ständig mit ihren aufgerüsteten Sinnen nach möglichen Bedrohungen, und die Abwesenheit von Menschen bedeutete eher eine Erleichterung denn eine Gefahr.
Bis Jezzibella fragte: »Wo zur Hölle sind eigentlich die verdammten Reporter?«
Dann merkte auch Leroy, daß etwas fehlte. Das Terminal war nicht einfach nur ruhig, es war tot. Keine Passagiere, kein Personal, nicht einmal irgendein unbedeutender Substitut, um Jezzibella zu begrüßen. Und ganz bestimmt nirgendwo ein Anzeichen von Reportern. Das war nicht eigenartig, das war schlichtweg alarmierend! Leroy hatte die geplante Abreise am vergangenen Abend an wenigstens drei zuverlässige Quellen durchsickern lassen.
»Das ist ja wieder mal verdammt großartig, Leroy!« schimpfte Jezzibella, während ihre
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