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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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unversöhnlichen Zorn heraufbeschworen, dass sie sich kaum vorstellen konnte, überhaupt noch ein vernünftiges Wort mit Willi zu wechseln, geschweige denn, die Modalitäten dieser Kanzleitrennung zu besprechen.
    »Soll er doch abhauen!«, murmelte sie vor sich hin und überflog ihre E-Mails nach einer Nachricht ihres Sohnes. Tatsächlich war eine darunter: Er hatte ihr einen kleinen Film geschickt, in dem er irgendwo mitten in Dublin auf einer Obstkiste stand und eine »Rede an meine ferne Mutter« hielt. Es war ziemlich komisch, vor allem, weil immer wieder Passanten stehen blieben und ihren Kommentar abgaben und der unbekannte Kameramann sich vor Lachen kaum halten konnte, was die Bildqualität erheblich beeinträchtigte. Die
Sache endete damit, dass Sean theatralisch von der Obstkiste fiel und im Liegen weitersprach, während der Kameramann eine Nahaufnahme von Seans Nasenlöchern machte, beide in glucksendes Lachen ausbrachen und das Werk abrupt mit einem Schwenk in den grauen Dubliner Himmel endete.
    Clara musste ebenfalls laut lachen, was Linda unten an ihrem Schreibtisch sichtlich irritierte. Clara spürte, wie gut ihr das Lachen tat und wie trübsinnig dieser ganze Scheißtag bisher gewesen war. Sie schnappte sich die henkellose Tasse, die von heute Vormittag noch auf Willis Schreibtisch stand, und zündete sich eine Zigarette an. Es galten keine Regeln mehr. Sie musste keine Rücksicht mehr nehmen. Willi und Linda hatten beschlossen, sich zu verabschieden, also gehörte die Kanzlei ab jetzt ihr ganz allein. Und während sie rauchte und den sehr drängenden Impuls bekämpfte, Linda die Zunge rauszustrecken, spürte sie, wie sich dieser Gedanke in ihrem Gehirn festsetzte und mehr und mehr Raum beanspruchte: ihre Kanzlei. Keine Regeln, keine Rücksichten. Wenn die beiden es so wollten, gut. Sie würde das Beste daraus machen. Es blieb ihr auch gar nichts anderes übrig.
     
    Um fünf klingelte das Telefon. Clara, die gehofft hatte, es sei Mick, der sich endlich meldete, ging selbst an den Apparat. Doch es war nicht Mick, es war Walter Gruber.
    »Ich habe nachgedacht«, begann er ohne Einleitung, »über irgendwelche besonderen Vorkommnisse im Fall Gerlinde Ostmann.«
    »Ja?« Clara setzte sich aufrecht hin.
    »Na ja, es gab etwas, das mir aufgefallen ist, aber nur so am Rande, und vielleicht habe ich mich auch getäuscht. Meine Kollegen jedenfalls hat es nicht weiter interessiert …«
    Er verstummte, und Clara konnte hören, wie er die Hand
auf den Hörer legte und mit irgendjemandem sprach. Dann war er wieder da und klang gestresst. »Meine Schwägerin ist schon heute angekommen, sie will jetzt mit mir und Armin einkaufen gehen. Wir brauchen was Ordentliches zum Anziehen, sagt sie …«
    Jetzt war seine Stimme von hilflosem Zorn erfüllt, und wäre der Anlass nicht so traurig gewesen, hätte Clara gelacht. So sagte sie nur: »Was ist Ihnen aufgefallen?«
    »Ja, also, vielleicht ist es auch nur ein Schmarrn, aber … es war die Katze.«
    »Die Katze?«
    »Ja. Die Katze ist mir aufgefallen. Sie war ja einige Zeit allein in der Wohnung, und es gab keine Wasserquellen, keinen offenen Toilettendeckel oder eine Gießkanne, auch stand keine Schachtel Trockenfutter irgendwo offen herum oder so …«
    Er wurde von einer resoluten Frauenstimme aus dem Hintergrund unterbrochen, die nach ihm rief: »Woita, jetzt kumm amoi zura …«
    Clara konnte sich ein Grinsen nun doch nicht verkneifen: »Ihre Schwägerin hat also jetzt das Oberkommando?«
    Gruber seufzte.
    »Sie wollten mir von der Katze erzählen«, erinnerte ihn Clara.
    »Ja. Also, wie gesagt, es gab nichts zu fressen und zu trinken, und trotzdem war die Katze in erstaunlich guter Verfassung.«
    »Wie?« Clara runzelte die Stirn. »Aber das würde bedeuten, dass sie …«
    »Ja. Ich kann mich täuschen, aber es kam mir so vor, als ob jemand sie gefüttert hatte.«
    Wieder ertönte die Stimme aus dem Hintergrund, dieses
Mal hatte sie einen drohenden Unterton: »Woita! Mir genga jetzt!«
    Gruber grummelte etwas Unverständliches und fragte dann: »Wir sehen uns am Freitag auf der Beerdigung?« Es klang fast bittend, und Clara versprach ihm noch einmal zu kommen. Gruber verabschiedete sich hastig und legte auf.
     
    Clara blieb eine ganze Weile reglos sitzen und starrte auf ihren stumpfsinnigen Bildschirmschoner, in dem sich krakelige Dreiecke in Komplementärfarben endlos im Kreis drehten. Dann griff sie in ihre Hosentasche und zog die Serviette aus Ritas Café

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