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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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angerufen? Wann? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
    »Er … er wollte das nicht. Ich soll Ihnen nur sagen, er ist bei Rita und wartet auf Sie.«

    »Oh.« Clara lächelte Linda an, ohne es eigentlich zu wollen.
     
    Mick saß bei Rita an der Bar, vor sich zwei Tassen Espresso und ein Glas Wasser. Clara sah ihn schon durch die Fensterscheibe. Anders als sonst, wenn er im Pub hinter der Theke stand, war er sehr sorgfältig angezogen. Er trug eine ordentliche dunkelblaue Jeans, ein Hemd und einen blauen Pullover, der ihm gut stand, wie Clara fand. Außerdem hatte er sich rasiert. Elise begrüßte ihn freundlich schwanzwedelnd, als sie eintraten, und Clara spürte, wie sich von dem großen Klumpen Traurigkeit in ihr ein Stück löste und verschwand. Sie lächelte: »Wieder fit?«
    Mick verzog ein wenig das Gesicht und deutete auf die beiden leeren Espressotassen neben ihm. »Ja. Aber es hat gedauert.« Er streckte die Hand nach Clara aus und zog sie zu sich heran. »Tut mir leid wegen gestern, aber die Typen von dieser Band waren einfach nicht totzukriegen.«
    »Du Armer«, spöttelte Clara. »Musstest die ganze Nacht daneben stehen und leiden!«
    Mick grinste ein wenig beschämt. »Es war auch ganz lustig«, räumte er ein. »Es wurde immer lustiger, je später es wurde.«
    »Kann ich mir vorstellen«, gab Clara trocken zurück und bestellte bei Rita ein Glas Weißwein. »Als du heimgekommen bist, dachte ich, eine Herde betrunkener Elefanten stürmt die Wohnung.«
    »Echt?« Mick sah sie bestürzt an.
    Clara musste lachen. »Ganz so schlimm war es nicht. Es war keine ganze Herde …«
    Mick seufzte. »Ich dachte, ich wäre mäuschenmucksstill gewesen.«

    »Mucksmäuschenstill«, verbesserte Clara ihn lächelnd. »Es heißt mucksmäuschenstill.«
    »Außerdem hast du doch tief und fest geschlafen, als ich gekommen bin, du kannst mich gar nicht gehört haben!« Mick kratzte es ziemlich an seiner Ehre, als betrunkener Elefant bezeichnet zu werden.
    Clara wurde rot. »Also, eigentlich habe ich nicht geschlafen«, gab sie schließlich zu. »Ich habe auf dich gewartet.«
    »Die ganze Nacht? Warum das denn?« Mick sah sie überrascht an. »Hast du Sorgen? Bist du deswegen gestern zu mir gekommen? Wolltest du mit mir reden?«
    Clara zuckte mit den Schultern. »Ach, nicht so wichtig. Du konntest es ja nicht ahnen. Und was die Sorgen anbelangt, da sind heute noch ganz andere dazugekommen.« Sie hockte sich auf den Barhocker und griff nach ihrem Glas Wein. »Lass uns nicht jetzt darüber reden, ich habe keine Lust mehr auf diesen ganzen Mist.«
    Sie deutete mit dem Kinn zur Kanzlei auf der anderen Straßenseite, in der in diesem Augenblick gerade das Licht verlosch. Clara sah Linda und Willi herauskommen. Offenbar war er unmittelbar nach ihr gekommen, um Linda abzuholen. Sie war froh, ihm nicht mehr begegnet zu sein. Sie nahm einen Schluck von dem kalten Wein und wandte sich Mick zu. Er sah gut aus, ohne eine Spur der durchzechten Nacht in seinen blauen Augen. Clara sah auf einmal kleine Lachfalten in seinen Augenwinkeln, die ihr bisher noch nicht aufgefallen waren.
    »Hast du heute Abend schon etwas vor?«, fragte er wie beiläufig.
    Clara warf einen Blick auf ihren Hund: »Die Dame hier könnte noch ein bisschen Auslauf vertragen. Aber sonst eigentlich nichts. Musst du denn nicht arbeiten?«

    Mick schüttelte den Kopf. »Habe mir freigenommen. Alan vertritt mich.« Er nestelte in seiner Tasche herum. »Ich habe mir gedacht, wenn du Lust und Zeit hast, könnten wir jetzt erst einmal einen Happen essen, dann einen Spaziergang mit Elise machen, sie nach Hause bringen, zu mir nach Hause, meine ich, und dann …« Er zog etwas aus der Tasche, faltete es auseinander und hielt es Clara hin.
    Sie nahm es ihm ab, und ihre Augen wurden groß: »Das sind ja Karten für Brandi Carlile. Heute Abend! Wie hast du das angestellt? Das Konzert ist doch längst ausverkauft?« Clara hatte diese Sängerin erst vor einem knappen Jahr mehr durch Zufall entdeckt und konnte seither fast alle ihre Lieder auswendig. Die junge Amerikanerin gab in Deutschland nur zwei Konzerte, ganz exklusiv, in kleinen Clubs in Berlin und in München, und beide waren seit Monaten ausverkauft.
    Mick strahlte vor Stolz. »Es muss ja auch etwas Gutes haben, sich mit durchgedrehten Punkrockern die Nächte um die Ohren zu schlagen. Sie hatten zwei Karten von irgendjemand bekommen, aber keiner von ihnen hatte Bock hinzugehen, das ist nicht so ganz ihr

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