Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
von der rotgelockten Empfangsdame verabschiedet. Ihr Rock war für Business-Chic etwas zu kurz gewesen, hatte ihre Kurven dafür aber besonders gut zur Geltung gebracht, ebenso wie ihre etwas zu weit offen stehende Bluse. Tenstaage hätte seine gesamten Einnahmen aus dem eben abgeschlossenen Vertrag darauf gewettet, dass sie ihre Brüste mit ordentlich Silikon hatte aufpolstern lassen. Sie waren beinahe aus dem Ausschnitt gequollen. Wahrscheinlich war dazu sogar mehr als eine Operation notwendig gewesen, aber das war ja nicht sein Problem. Wie auch immer, der Anblick war es auf jeden Fall wert gewesen.
Der Zugang zu den Aufzügen war ebenfalls menschenleer. Tenstaage war es nur recht. Er drückte auf den Rufknopf, stieg in den Lift und genoss es, die Kabine für sich zu haben. Nichts nervte ihn mehr als ein Aufzug voller Menschen, die wie hypnotisiert auf die Leuchtanzeige mit den angezeigten Stockwerken starrten, bloß um den anderen nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Außerdem konnte er so ohne Verzögerung in das Untergeschoss fahren. Auch auf dem Weg nach unten stieg niemand zu.
Als sich in der Tiefgarage die Türen öffneten und er aus dem Aufzug stieg, stutzte er plötzlich. Ein paar Meter vor sich entdeckte er eine junge Frau, die sich gerade vor einem der wenigen Wagen bückte, die zu dieser Zeit noch hier abgestellt waren.
Offensichtlich hatte sie ihren Schlüssel oder etwas anderes fallen lassen, denn sie hob irgendeinen Gegenstand vom Boden auf und steckte ihn in ihre Handtasche. Dabei streckte sie ihm aufreizend ihr Hinterteil entgegen, das in einem engen schwarzen Rock steckte. Ein äußerst appetitlicher Anblick. Er musste sich beherrschen, nicht anerkennend durch die Zähne zu pfeifen.
Vom Geräusch der Aufzugstüren alarmiert, drehte sich die Frau kurz zu Tenstaage um. Sie musterte ihn für ein paar Sekunden, lächelte ihm dann mit knallrot geschminkten Lippen vielsagend zu und ging in Richtung des hinteren Teils der Tiefgarage davon.
Tenstaage gaffte ihr hinterher. Ihre Hüften wackelten verführerisch und ihre langen blonden Haare, die geschäftsmäßig im Nacken zu einem Knoten geschlungen waren, lösten diverse Fantasien bei ihm aus.
Plötzlich blieb sie stehen, wandte sich noch einmal kurz zu ihm um und öffnete die Spange, die ihre Haare zusammenhielt. In weichen Kaskaden fielen sie ihr über die Schultern.
Tenstaage interpretierte das als eindeutige Einladung. Noch in derselben Sekunde beschloss er, die Nacht in Hamburg zu verbringen und erst am nächsten Tag nach Lübeck zurückzukehren. Eine langbeinige Blondine war eine willkommene Abwechslung zu seiner zierlichen, schwarzhaarigen Ehefrau. Vielleicht kam er sogar um das Hotelzimmer herum, wenn die Frau ihn einfach mit zu sich nach Hause nahm.
Doch genau diese langbeinige Blondine würde in wenigen Sekunden aus seinem Blickfeld verschwunden sein, wenn er sich nicht beeilte. Mit ausholenden Schritten begann er sie zu verfolgen. Sie schien ein wenig langsamer zu werden, als sie ihn hinter sich hörte.
Eindeutig war sie nicht abgeneigt, mit ihm ins Gespräch zu kommen, dachte er zufrieden, vielleicht auch mehr. Wenn nicht, würde er eben seine Überzeugungskraft einsetzen. Bisher hatte er nie Probleme gehabt, Frauen herumzukriegen.
Mit beiden Händen fuhr er sich durch die Haare. Nach der langen Sitzung am Abend sah er nicht mehr unbedingt taufrisch aus, aber es würde schon gehen. Er verzog amüsiert das Gesicht. Notfalls konnte er ja vorher und hinterher duschen.
Doch plötzlich blieb er irritiert stehen. Die Blondine war um eine Ecke verschwunden, und mit einem Mal waren auch ihre Schritte nicht mehr zu hören. Er lauschte ein paar Sekunden lang, doch alles blieb still. War sie durch irgendeine Tür verschwunden? Oder wartete sie vielleicht auf ihn?
Vorsichtig näherte er sich der Stelle, bog ebenfalls um die Ecke – und stand plötzlich direkt vor ihr. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Ihre roten Lippen waren zu einem breiten Lächeln verzogen, das ihre makellosen Zähne zeigte.
Aber irgendetwas stimmte nicht.
Abrupt stoppte er seine Schritte und starrte sie an. Ihre Miene ähnelte eher einem Zähnefletschen als einem verführerischen Lächeln. Obwohl sie ein äußerst hübsches Gesicht hatte, wirkte sie in diesem Augenblick wenig attraktiv. Außerdem kam sie ihm vage bekannt vor. War er ihr schon einmal begegnet?
Er konnte es nicht genau sagen. Blitzschnell durchforstete er seine Erinnerungen. Leider war sein
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