Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
nicht darüber nachdenken, was die Arme in nächster Zeit alles verarbeiten muss.«
»Hast du schon mit ihr gesprochen?«, erkundigte sich Robert.
»Habe ich.« Suna nickte. »Sie liegt drei Zimmer weiter. Ich habe mich vorhin mal kurz zu ihr rübergeschlichen, aber verrate das bloß nicht der Oberschwester. Sonst kriege ich mächtig Ärger.« Sie legte den Zeigefinger vor die Lippen und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
»Ich schweige wie ein Grab«, versicherte Robert. »Wie steckt Linda das Ganze denn weg?«
»Im Moment ist sie erst mal mit ihren körperlichen Blessuren beschäftigt. Alles andere kommt dann wohl später. Ich denke, das Schlimmste für sie wird die Erkenntnis sein, dass ihre Schwester sich nicht nur das Leben genommen hat, sondern vorher ziemlich üble Sachen gemacht hat.« Suna holte tief Luft und atmete dann hörbar aus. »Na ja, zumindest ist ihr Schwager allein für die Morde verantwortlich gewesen. Damit hatte Saskia nichts zu tun.«
»Weiß sie denn die ganze Wahrheit?«, erkundigte sich Robert.
»Nein. Zum Glück hat der Elektroschocker sie gestern so heftig erwischt, dass sie weitgehend außer Gefecht gesetzt war. Und dazu kam dann noch der Schlag gegen die Stirn, als wir ins Auto steigen mussten. So hat sie die Anfeindungen von ihrem Schwager gar nicht mitbekommen. Sie denkt, dass es ihm nur darum gegangen ist, uns als Zeugen aus dem Weg zu räumen. Und wenn es nach mir geht, muss sie die Wahrheit gar nicht erfahren.«
»Wahrscheinlich wäre das wirklich das Beste für sie«, stimmte Robert zu.
»Da ist übrigens noch etwas«, wechselte er das Thema und den Tonfall. »Ich habe dir einen Blumenstrauß mitgebracht.«
Suna nickte. »Hab ich gesehen.«
»Ich meine, einen richtig großen Blumenstrauß.«
»Ja, auch das habe ich gesehen.«
»Und Pralinen, sogar eine richtig große Packung.« Robert strahlte sie an.
Suna biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut loszulachen. »Also, was willst du?«
Ihr Exmann zog eine Grimasse. »Dass du mich immer gleich durchschaust, ist wirklich nicht fair«, klagte er.
Jetzt musste Suna wirklich lachen. »Na ja, wenn du mir mit deinem Wink mit dem Zaunpfahl fast den Schädel einschlägst, muss ich mich ja irgendwie in Deckung bringen. Jetzt sag schon, worum geht es?«
»Um eine Mandantin von mir. Sie hat ein ziemlich schweres Schicksal hinter sich. Ihr Mann wurde vor Kurzem entführt und ermordet. Zum Glück wurde sie dank einer findigen Privatdetektivin von jedem Tatvorwurf reingewaschen.«
»Lucia.« Suna seufzte. »Wie geht es ihr?«
»Ich würde sagen, sie verkraftet es ziemlich gut. Sie hat nur ein Problem. Sie war noch nicht allzu lange mit Tenstaage verheiratet, würde aber trotzdem gern hier in Lübeck bleiben. Und dazu braucht sie einen Job. Da habe ich mir gedacht, du könntest in deinem Büro vielleicht Verstärkung gebrauchen.«
Suna sah ihn skeptisch an. »So, hast du. Was kann sie denn?«
»Ach, alles mögliche«, gab Robert vage zurück. »Kopieren, Kaffeekochen und natürlich fließend spanisch.«
»Hmm.« Suna nahm die Arme hoch und verschränkte die verbundenen Handgelenke im Nacken. »Hört sich schon verführerisch an. Spanisch brauche ich zwar eher selten, aber allein die Vorstellung, ich könnte an meinem Schreibtisch sitzen und jemand bringt mir meinen Milchkaffee, wirkt wie der reine Luxus. Ich glaube, daran könnte ich mich durchaus gewöhnen.« Sie lächelte. »Also gut. Sag ihr einfach, sobald ich hier raus bin, setzen wir uns mal in Ruhe zusammen.«
Epilog
Samstag, 4. Mai
Liebe Linda,
es tut mir so wahnsinnig leid, was ich dir heute antun muss, aber ich kann nicht mehr. Ich weiß selbst nicht genau, woran es lag, aber irgendwie bin ich von Anfang an nicht mit meinem Leben klargekommen. Und ich bin mir sicher, dass sich das auch nicht mehr ändern wird. Deshalb ist es Zeit für mich zu gehen.
Ich war nicht immer ehrlich zu dir, und vor allem in den letzten Wochen habe ich einige schlimme Dinge getan, Dinge, auf die ich wirklich nicht stolz sein kann. Zuerst habe ich geglaubt, dass ich das Recht dazu habe, weil man mir auch Grausames angetan hat, doch inzwischen weiß ich, dass es falsch war. Dadurch habe ich alles nur noch schlimmer gemacht. Ich würde es gern wiedergutmachen, oder zumindest die Konsequenzen tragen, aber leider fehlt mir die Kraft dazu. Ich schaffe es einfach nicht.
Ich möchte dir noch sagen, wie stolz ich auf dich bin. Du warst schon immer mein Sonnenschein, mein Ein und Alles.
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