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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Krach auf der anderen Seite.
    Ich war fast auf den Beinen, unsicher und taumelnd, da packte er mich am Kragen und riss mich ebenfalls hoch.
    »Lauf!«
    Ich fand das heruntergefallene Messer und hob es auf. Er stieß mich so heftig vorwärts, dass ich stolperte. Dann begann ich zu rennen. Er überholte mich und übernahm die Führung. Wir waren vielleicht eine Viertelmeile weit gekommen, als er herumfuhr und mir mit einem Blick ins Gesicht sah, der mich zurückweichen ließ. Er packte mich am Oberarm.
    »Hab ich dir gesagt, du sollst dortbleiben?«
    »Ja, aber …«
    »Hab ich dir gesagt, du sollst dortbleiben?«, brüllte er.
    Ich sah mich um, weil ich fürchtete, jemand könnte uns hören, aber wir standen wieder hinter einer Reihe von Geschäften, und alle Fenster waren dunkel.
    »Ja.« Ich sprach leise und ohne zu stottern. »Hast du. Aber du hast außerdem noch gesagt, ich soll auf Tori aufpassen, und sie ist einfach losgegangen.«
    »Ich interessiere mich einen Dreck dafür, was Tori macht. Wenn sie abhaut, lass sie doch. Wenn sie vor einen Bus rennt, lass sie.«
    Als ich zu seinen Augen hinaufsah, entdeckte ich das Entsetzen hinter der Wut und wusste, auf wen er wirklich wütend war – auf sich selbst, weil er dieses Mädchen beinahe gegen die Wand geschleudert hatte wie den Jungen damals in Albany.
    Ich sagte nichts, als ich seine Finger von meinem Arm löste. Er wich zurück, und seine Finger ballten sich zur Faust und öffneten sich wieder.
    »Wenn sie abhaut, lass sie doch laufen«, sagte er, ruhiger jetzt. »Ist mir egal, was mit ihr passiert.«
    »Mir nicht.«
    Er trat einen Schritt zurück und rieb sich geistesabwesend den Unterarm. Als er sah, dass ich ihn beobachtete, hörte er auf.
    »Juckt einfach bloß«, sagte er. »Nichts Besonderes.«
    »Hast du sonst noch Symptome? Fieber oder …«
    »Nein«, fuhr er mich an. »Versuch nicht, vom Thema abzulenken. Du musst vorsichtiger sein, Chloe. Genau wie vorhin mit dieser Leiche. Du musst dir vorher überlegen, was passieren könnte.«
    Er hatte recht. Aber ihn kratzen zu sehen erinnerte mich daran, dass ich nicht die Einzige gewesen war, die sich unvorsichtig benahm und mögliche Gefahren ignorierte.
    »Und was ist mit dir?«, fragte ich, während er sich wieder am Arm kratzte. »Der Werwolf, der sich noch nie verwandelt hat, aber weiß, dass er sich zu schnell entwickelt? Als du rastlos und fiebrig und kribbelig geworden bist, ist dir da nie der Gedanke gekommen, dass du vielleicht früher mit dieser Verwandelei anfängst? Du hast es einfach ignoriert … bis es dann in der Nacht passiert ist, in der wir gehen wollten.«
    »Ich hatte nicht vor, mit euch mitzugehen …«
    »Aber wenn ich nicht geblieben wäre und nach dir gesucht hätte, dann wäre Simon nicht gegangen. Du hättest die ganze Flucht vermasseln können, weil du nicht gewusst hast, was mit dir los ist.«
    »Ich hab es
nicht
gewusst.«
    »So wie ich nicht gewusst habe, dass ich sogar im Schlaf Tote beschwören kann. Hab ich dich deswegen fertiggemacht? Hab ich auch nur erwähnt, wie kurz ich davor war, erwischt zu werden, weil ich geblieben bin und dir geholfen habe?«
    Er wandte den Blick ab, ich sah seine Kiefermuskeln arbeiten. Dann sagte er: »Ich hab auch versucht, dir zu helfen. Und hab das da dafür kassiert.« Er zeigte auf den Kratzer in seinem Gesicht.
    »Weil ich aufgewacht bin und mich ein Typ auf dem Boden festgehalten hat! Ich weiß schon, du wolltest nicht, dass ich sehe, wie dieser Zombie an mir hochkriecht. Guter Plan, schlechte Umsetzung. Und dann hast du komplett die Geduld verloren und nur noch Befehle gebrüllt.«
    »Ich hab versucht zu helfen.«
    »Und was, wenn ich das Gleiche getan hätte? Dich angebrüllt, du sollst das mit der Verwandelei endlich hinter dich bringen, bevor wir erwischt werden?«
    Er sah weg. »Ich … An diesem Abend. Ich hab nie …« Er straffte die Schultern. »Wir müssen zurück zu den anderen. Simon macht sich sonst Sorgen.«
    Wir gingen etwa zwanzig Schritte weit, ohne dass jemand etwas sagte. Als ich sah, wie seine Schultern nach vorne fielen, wusste ich, dass er immer noch darüber nachdachte, und betete darum, dass er jetzt einfach den Mund halten würde. Bitte, lass es doch einfach …
    Er fuhr zu mir herum. »Wenn ich das nächste Mal sage, bleib, wo du bist, dann meine ich auch, bleib, wo du bist.«
    »Ich bin kein Hund, Derek.«
    Wieder sprach ich sehr ruhig, aber seine Kiefermuskeln spannten sich erneut, und seine grünen Augen

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