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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Augen.
    „Wer sagt, dass es deine Schuld war?“, fragte Abernathy.
    „Mein Onkel.“ Sam schluchzte auf.
    „Ruhig, Sam. Es ist vorbei. Es ist schon lange vorbei.“
    Abernathy berührte wieder Sams Stirn. Sam weinte lautlos und Abernathy wartete, bis er sich etwas beruhigt hatte.
    „Lebst du deswegen allein, weil deine Schuldgefühle dich von deiner Familie fernhalten?“
    „Ich bin nur ganz selten bei ihnen“, sagte Sam traurig. „Meine Mutter will mich nicht mehr.“
    „Warum nicht?“
    „Ich weiß nicht.“
    „Und Laine und Bill sind deine einzigen Freunde?“
    „Ja.“
    „Und bei ihnen fühlst du dich wohl?“
    Sam seufzte tief. „Ja.“
    „Aber sie haben nicht mehr so viel Zeit für dich wie früher?“
    „Nein.“ Es klang traurig.
    „Deshalb bist du jetzt noch mehr allein.“
    „Ja.“
    „Wovor hast du am meisten Angst, Sam?“
    „Dass ich ganz allein bin. Ich will nicht allein sein.“
    Abernathy sah, dass sich Sams Beine silbrig verfärbten. Er hatte nicht mehr viel Zeit.
    „Bist du denn in Laine verliebt?“
    „Ja.“
    „Und bist du manchmal auf Bill eifersüchtig?“
    „Ja, manchmal schon.“
    „Hast du das Gefühl, dass er sie dir weggenommen hat?“
    Sam atmete schwer. Abernathy war sich nicht sicher, ob das an seiner Frage oder an der anstrengenden Verwandlung lag. „Ja“, flüsterte Sam.
    „Das dachte ich mir“, murmelte Abernathy.
    „Magst du Bill?“
    „Ja … er ist mein Freund.“
    „Würde es dir gefallen, mit Laine ganz alleine zu sein?“
    „Ja.“
    „Das kannst du, Sam, wenn du mein Freund bist. Solange du bei mir bist, hast du Laine ganz für dich.“
    Sam atmete hörbar und gab ein leises Sirr-Geräusch von sich.
     „Sam, wenn ich jetzt wieder deine Stirn berühre, dann schläfst du noch tiefer ein. Du fühlst dich sehr, sehr wohl. Was du eben erzählt hast, vergisst du wieder. Es ist nicht mehr wichtig. Aber dieses Gefühl der Zufriedenheit bleibt. Es gefällt dir hier sehr gut. Du und Laine … ihr könnt nur hier zusammen sein.“
    Abernathy berührte Sams Stirn nochmals. Dann stand er auf, hob Sam, dessen Füße sich bereits zu Flossen formten, aus dem Sessel und trug ihn zur Tür. Er schleppte Sam durch die Halle und die Stufen hinauf, bis auf die Plattform, wo er ihn sanft ablegte.
    „Was hast du gemacht?“, rief Laine ihm zu. „Was ist mit ihm?“
    Abernathy drehte sich um.
    „Tja, mein Kind. Ich habe es gehofft, aber ich hätte nie erwartet, dass es so gut funktioniert. Keine Sorge, ihm ist nichts geschehen.“
    Er wandte sich wieder Sam zu.
    „Ich zähle jetzt bis drei, Sam, und bei drei wachst du auf und fühlst dich sehr wohl. Du hast keine Angst vor mir. Alles ist gut. Eins … zwei … drei.“
    Sam schlug die Augen auf und sah sich verwirrt um.
    „Wo sind wir hier?“, fragte er.
    „Direkt neben deinem neuen Schwimmbecken, das ich extra für dich eingerichtet habe. Du verwandelst dich gerade zurück, das spürst du sicher. Du kannst jederzeit ins Wasser steigen, wenn du möchtest.“
    „Ja, mach ich“, sagte Sam leise. Abernathy konnte ein triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken.
     
     
    George lehnte seinen Kopf an das kühle Glas des Autofensters. Bill reichte ihm eine Flasche mit Wasser, aber George schüttelte den Kopf.
    „Das darf doch alles nicht wahr sein“, murmelte er. „Ich hätte nie gedacht, dass sich mein Leben und die ganze Welt mal so … auf den Kopf stellen könnte.“
    „Aber du verstehst, was es für Sam bedeutet, wenn wir die Polizei einschalten?“, fragte Bill, der froh war, dass er George hatte beruhigen können. „Und hätten wir das getan … woher willst du wissen, dass sie Laine rechtzeitig finden? Ich denke nicht, dass er ihr jetzt noch etwas tut, wo er Sam bei sich hat. Wenn doch, würde Sam sofort die Mitarbeit verweigern.“
    „Oder er benutzt sie, um Sam auf seinen OP-Tisch zu zwingen, indem er ihr was antut“, sagte George.
    Bill schwieg. Das hatte er auch schon erwogen, aber er hatte die Klappe gehalten, um George nicht zu beunruhigen.
    „Wir müssen was tun, Bill. Sollte uns in den nächsten Stunden nichts einfallen, werde ich die Polizei einschalten.“
     
     
    Laine saß wieder auf dem Boden hinter dem Gitter und starrte in die Halle hinaus.
    Sam lag jetzt schon eine Weile oben auf der Plattform. Plötzlich ließ er sich ins Wasser gleiten und Laine sah, wie er auf den Boden des Glaskastens sank, wo er sich zusammenrollte. Er war fast vollständig zurückverwandelt und ruhte sich

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