Seelenprinz
mancher zum Glauben gefunden .
Blöderweise hatte er das Gefühl, dass dieser Stimmungswechsel nicht lange anhalten würde. Der Flug mochte Qhuinn die Augen geöffnet haben, aber so, wie Opfer eines Herzinfarkts bald darauf ihre fatalen Essgewohnheiten wieder aufnahmen, würde auch diese » Offenbarung« vermutlich nicht lange Bestand haben. Ja, Qhuinn war es ernst in diesem berauschten Moment– daran bestand kein Zweifel. Doch das war sicher nicht von Dauer.
Qhuinn würde sich nicht ändern. Und wenn der Schock erst überwunden war– in einer Nacht, einer Woche, einem Monat–, wäre er wieder der Alte: verschlossen, unnahbar und abweisend.
Nachdem die Entscheidung gefallen war, öffnete Blay die Augen und beugte sich nach unten. Als ihre Gesichter sich einander näherten, öffnete Qhuinn den Mund, und die volle Unterlippe schürzte sich, als würde er bereits kosten, wonach es ihn verlangte– und Gefallen daran finden.
Scheiße, Qhuinn war so schön. Seine kräftige, nackte Brust glänzte im Schein des Lichts, die Haut war von einem Schimmer der Erregung überzogen, die gepiercten Burstwarzen hoben und senkten sich im treibenden Rhythmus seines erhitzten Blutes.
Blay fuhr mit der Hand den muskulösen Arm entlang, der auf ihm ruhte, von der kräftigen Schulter über den gewölbten Bizeps und den Trizeps.
Er löste die Hand von seinem Schenkel.
Und trat zurück.
Qhuinn wurde kreidebleich.
Blay sagte kein Wort. Es ging nicht– seine Stimme war weg.
Auf wackligen Beinen stolperte er zur Tür und fummelte unbeholfen an der Klinke herum, bis er sie aufbekam. Als er draußen im Flur stand, hätte er nicht sagen können, ob er die Tür nun zugeknallt oder leise geschlossen hatte.
Er kam nicht weit. Nach einem Meter sank er gegen die glatte, kühle Wand.
Keuchend.
Aber es nützte nichts. Das Gefühl zu ersticken verstärkte sich, und mit einem Mal verschwamm seine Sicht und formte ein schwarz-weißes Schachbrettmuster.
Weil er einer Ohnmacht nahe schien, ließ er sich an der Wand herabsinken, bis er auf den Hacken saß, und steckte den Kopf zwischen die Knie. Irgendwo im Hinterkopf betete er noch, dass niemand vorbeiommen möge. Wie hätte er seine Situation erklären sollen: Kauerstellung vor Qhuinns Zimmer, Monsterlatte, Zitteranfall.
» Verdammt…«
Heute wäre ich um ein Haar gestorben – da wird einem so manches klar. Als ich aus dem Flugzeug in die dunkle Nacht geblickt habe, dachte ich keine Sekunde, dass ich überleben könnte. Da habe ich plötzlich alles ganz klar gesehen.
» Nein«, sagte Blay laut. » Nein …«
Er vergrub den Kopf in den Händen und versuchte, ruhig zu atmen, logisch zu denken, vernünftig zu handeln. Er durfte sich nicht tiefer in diesen Strudel hineinziehen lassen .
Diese heißen, glänzenden, verschiedenfarbigen Augen waren der Stoff für Legenden.
» Nein« , fauchte er.
Während seine Stimme in seinem Schädel widerhallte, beschloss er, auf sich selbst zu hören. Keinen Schritt weiter. Die Sache musste enden.
Er hatte schon vor Langem sein Herz an diesen Kerl verloren.
Es gab keinen Grund, auch noch seine Seele aufzugeben.
Eine Stunde später, vielleicht zwei oder sogar sechs, lag Qhuinn nackt zwischen kühlen Laken und blickte in der Dunkelheit zur Zimmerdecke auf, obwohl er sie nicht sehen konnte.
War dieser entsetzliche, quälende Schmerz das, was Blay gefühlt hatte? Zum Beispiel nach dem Schlagabtausch im Keller seiner Eltern – als Qhuinn bereit gewesen war, Caldwell zu verlassen, und ihm klipp und klar erklärt hatte, dass sie dann nichts mehr miteinander zu tun hätten? Oder vielleicht damals nach dem Kuss in der Klinik, als Qhuinn sich geweigert hatte, weiterzugehen? Oder nach diesem letzten Zusammenprall, als es beinahe passiert wäre, direkt vor Blays erstem Abend mit Saxton?
Er fühlte sich so verdammt leer.
Wie dieses Zimmer: kein Licht, lediglich vier Wände und eine Decke. Oder eine Hülle aus Haut und ein Skelett.
Er zog die Hand hoch und legte sie auf sein pochendes Herz, nur um sich zu vergewissern, dass es noch da war.
Mann, das Schicksal erteilte wirklich Lektionen, deren Nutzen sich erst viel später erschloss: Er hatte sich viel zu lange mit sich und seinem Makel beschäftigt, mit seinem Ausschluss aus Familie und Gesellschaft. Die ganze Zeit über war er einfach ein total verkorkster Kerl gewesen, und Blay hatte sich, anteilnehmend, wie er war, in den Abgrund hineinziehen lassen.
Aber wann hatte Qhuinn seinen besten Freund
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