Seelenschacher
Soufflé bei geöffnetem Backrohr. Ich brauchte Tee. Schnell, viel und stark.
Korkarian würde ich später anrufen. Sicher nicht vor den Bullen, sie sollte nicht meinen, dass ich Angst hätte, und vor allem, wenn ich verdächtig war, dann hatten die Kiberer sicher einen Abhörschein gelöst. Das ging heutzutage ohne Probleme im Rechtsstaat Österreich, sogar ohne richterlichen Beschluss, rein exekutivintern. In diesem Fall würde es auch so ein besseres Bild abgeben, wenn ich erst nach der Polizei anrufen würde. Sähe nicht ganz so schuldig aus.
Aber meine Gedanken kehrten schnell zurück zum Tee. Dazu brauchte ich Wasser, eine Kanne und Strom. Das gabs alles in meinem Büro, keine 200 Meter Luftlinie entfernt. Mir schien es wie eine Ewigkeit.
II
Der kupferrote Assam hatte meine Schale schon zweimal gefüllt, nun war sie wieder leer und wartete darauf, zum dritten Mal gefüllt zu werden. Das weiße Porzellan der Innenseite hatte sich im Lauf der Jahre verfärbt. Ablagerungen von Teein, Kalk und sonstigen Inhaltsstoffen hatten ihre Spuren hinterlassen und manifestierten sich in braunen Trinkringen. Ich beschloss, dass es heute der Tag sei, sie endlich sauber zu machen. Aus einer der unteren Schubladen holte ich ein Päckchen Taschentücher hervor und putzte mit einem davon die Tasse aus, bis sie wieder in frischem Weiß erstrahlte. Dann füllte ich nach und gönnte mir die dritte Tasse. Es war noch nicht genug Zeit vergangen, um anzurufen. Also hing ich noch ein wenig meinen Gedanken nach, obwohl das schwer zu sagen war. Vielleicht hingen sie auch mir nach. Irgendwie war ich immer noch ziemlich stoned. Als ich mich zum fünften Mal fragte, ob nicht ein bisschen Musik angemessen sei, beschloss ich, Korkarian anzurufen. War ich überhaupt schon bei den Kriminesern gewesen? Doch. Sicher. Ziemlich. Vielleicht. Doch. Ich schüttelte meinen Kopf und schenkte Assam nach. Ruhig Blut. Ich war schon dort gewesen. Jetzt musste ich anrufen, bei Elena. Genau, das war der Schritt, der notwendig war. Oder vorher doch noch ein wenig Musik hören? Mein Gott, durchfuhr es mich, die Kiberer! Ich hatte den Termin vergessen! Sicher hatte mich Molnar schon zur Fahndung ausgeschrieben. Ich war schon aufgesprungen, der Stuhl dabei umgefallen, als mir einfiel, dass ich ja schon dort gewesen war. Mit klopfendem Herzen setzte ich mich wieder. Die Herzschläge dröhnten in den Ohren wie Paukenschläge. Ebenso mein Aufprall. Denn da war kein Stuhl mehr. Mühsam stand ich auf, stellte den Stuhl hin und setzte mich. Zutiefst erschöpft, schloss ich die Augen und war auch schon eingeschlafen. Mit Persern kiffen ist wie mit Iren saufen, war mein letzter Gedanke. Ich mag Iren.
Aus den tiefschwarzen Abgründen meiner Betäubung riss mich die Vibracall Funktion meines Handys, irgendwer stresste da wie blöd. Umständlich fischte ich das Handy raus. Elena. Gut. Ich nahm ab.
»Arno, was soll das? Buehlin ist hinüber?«
»Deswegen ruf ich ja an …«
»Ich ruf dich an! Schon seit zwei Stunden alle drei Minuten. Aber du nimmst nicht ab!«
»Ach so. Ja.«
»Bist du stoned?«
»Bisschen.«
»Uns bricht der Boden unter den Füßen weg und du knallst dich zu!«
»Uns?«
»Ja. Genau. Reiß dich zusammen, und dann müssen wir uns treffen.«
»Das war notwendig. Im Zuge der Ermittlungen …«
»Verschon mich mit dem Blödsinn. Wo?«
»Was?«
»Treffen!«
»Hm. Keine Ahnung.«
»Du bist heute nicht zu viel zu gebrauchen.« Ich hörte sie ins Telefon seufzen.
»Der Schein trügt. Bei dir?«
»Das würde dir so passen.«
»Siehst du. Dafür reicht’s noch.«
»Schwachsinn. Bin gerade im Dritten. Was kennst du da?«
In der Löwengasse, am Kolonowitzplatz, kannte ich das All-In, mit seiner braunen Kunstholztheke und dem uralten Stambulia Schild in Staubgelb. Das war nicht der Ort für Elena, Frauen gabs da nur über 40 und mit 3 Promille. Die Reaktionen der männlichen Gäste auf eine Frau wie Elena hätten sicherlich ein paar ins Krankenhaus gebracht. Was gab’s noch? Im Schwarzen Café war Sommeraktion. Großes Bier und doppelter Wodka für 1,50. Auch nicht der Ort für Elena, obwohl Frauen unter 40 anwesend waren, aber sicher alle über drei Promille.
»Treffen wir uns im Prückl.«
»Das gibt’s noch? War ich schon ewig nicht mehr.«
»Gut.«
»Halbe Stunde, und sei bitte bei klarem Bewusstsein.«
»I’ve got no consciousness to keep clear«, zitierte ich den Black Rebel Motorcycle Club und legte auf. Anschließend schnaufte
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