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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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ich durch und schenkte nach. Der Tee war alle. Irgendwer musste ihn ausgetrunken haben, als ich schlief. Um ein Haar hätte ich einen neuen aufgestellt. Aber so weit hatte ich mich noch im Griff. Ich ging auf die Institutstoilette, wusch mir Gesicht und Hände. Dann zog ich mir das verschwitzte Hemd aus und ließ mir kaltes Wasser über den Nacken laufen. Im Winter ist das Wasser aus der Leitung eiskalt und im Sommer lauwarm. So hat immer niemand was davon. Gott muss Österreicher gewesen sein, als er die Natur einrichtete.
    Anschließend machte ich mich auf den Weg. Genug Zeit, um einfach durch den Ersten Bezirk zu marschieren. Über die Freyung, über den Graben, dann über den Stephansplatz und schließlich die Wollzeile hinunter. Imperiale Pracht, Touristen und glänzende Auslagen. Davor Bettler. Die Auslagen ohne Preisschilder, die Bettler ohne Beine. Jeder zeigt, was er hat.
    Am Lueger Platz, der dem großen Wiener Bürgermeister gewidmet ist, der Adolf Hitler den Antisemitismus lehrte, befindet sich das Prückl am Eck zum Ring hinaus. In einem weißen Gebäude mit verzierter Gründerzeitfassade. Drinnen stehen die Stühle dicht an dicht, ein goldener Kronleuchter hängt tief von der Decke, das Kristall funkelt. Die Einrichtung in Cremeweiß ist abgewohnt und altmodisch. Es sieht so aus, wie sich die Fünfziger den Futurismus der Sechziger vorgestellt haben mochten. Da wir aber mittlerweile die Nuller schrieben, war der Anachronismus schon wieder revolutionär. In Wien kann sogar Biedermeier progressiv sein. Das Prückl war wie immer gut besucht, doch im Herzen fand sich im Eck noch ein Platz für zwei. Ich bestellte einen großen Mokka mit einem großen Glas Wasser. Der Ober brauchte keine zehn Minuten und das Gewünschte stand vor mir. Schale und Glas auf dem silberglänzenden Tablett, über das Glas der Löffel gelegt, wie es die Tradition verlangt. Ohne zu zuckern, stillte ich meine Gier nach Koffein. Als drei Minuten später Elena neben mir saß und sich eine Melange bestellte, orderte ich noch einen Mokka. Diesmal leistete ich Verzicht. Auf das große Glas Wasser.
    Weniger ist mehr. Diese alte Wahrheit traf auch auf Elena zu. Mehr als die approximierten 4 Quadratzentimeter Stoff, die sie momentan am Körper trug, wären definitiv weniger gewesen. So war es gar nicht so leicht, meine Augen auf eine Stelle zu richten, die nicht nur nacktes Fleisch zu bieten hatte. Sie schien meine Verlegenheit durchaus zu bemerken und genoss sie sichtlich.
    »Also, Elena. Woher kommt der plötzliche Gemeinsinn? Was ist das für eine Anwandlung?«
    »Wie meinen?«
    »Na, das Wir. Was soll das?«
    »Ich hab ein wenig Angst.«
    »Du? Mich halten die Krimineser für den Mörder von Buehlin. Nicht dich.«
    Sie sah mich überrascht an. Na ja, für eine halbe Millisekunde vielleicht hatte ihre Pupille gezuckt. Wenn man schön paniert ist, fallen einem Kleinigkeiten auf, die man sonst übersieht. Außerdem kann eine Millisekunde dann eine Ewigkeit sein. Kaum hatte Elena ihre Pupille wieder im Griff, nahm sie einen Schluck von ihrer Melange.
    »Soso. Du bist überrascht.«
    »Bin ich gar nicht.« Schöner Kleinmädchentonfall.
    »Doch. Die haben mich gar nicht im Tatverdacht. Die gehen von Selbstmord aus. Hab ich recht?«
    Wieder zuckte die Pupille ein wenig. Diesmal noch kürzer, doch ich hatte darauf geachtet. Stoned bin ich ein Bombendetektiv.
    »Ich hab recht.« Sprach ich und probierte meinen zweiten Mokka.
    »Sei nicht so selbstgefällig. Das steht dir nicht.«
    »Wie kommen die auf Selbstmord? Tür von innen versperrt und Knarre in der Hand?«
    »So in etwa. Wie kommst du da drauf?«
    »Weil meine Abdrücke auf der Waffe sind. Das heißt im Kibererdeutsch, ich wars. Das Einzige, was das verdrängen kann, ist eine von innen verschlossene Tür. Und der richtige Einschusswinkel an der Schläfe. Mein Alibi mit dir hätte da nie gereicht.«
    »Hm. Kann sein.«
    »Seh ich auch so. Also, warum hast du Angst?«
    »Ich war nicht ganz ehrlich. Ria und ich wollten in der Sache auch ein wenig was verdienen. Es war so seltsam, dass Papa diesen Kredit vergeben hat. Ria meinte auch, dass es da um was Großes gehen müsste. Aber jetzt gibt es zwei Tote …«
    »Einer davon war Selbstmord.«
    »Blödsinn.«
    »Warum?«
    »Zu viel Zufall.« Genau das dachte ich auch. Schön, dass wir das gleich sahen. »Und außerdem hat vorhin jemand angerufen, noch vor der Polizei.«
    »Wer?«
    »Namen hat er keinen genannt. Er will sich jedoch mit mir

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