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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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treffen. Begleite mich. Allein geh ich da nicht hin.«
    »Wo will er sich treffen?«
    »Oben auf der Jubiläumswarte. Sobald’s dunkel ist.«
    Die Jubiläumswarte ist ein abgelegenes Stückchen Land an der nordöstlichen Stadtgrenze. Tagsüber ist der Hügel ein beliebtes Ausflugsziel, nachts ist es dunkel und einsam.
    »Lieber einmal feig als ein Leben lang tot.«
    »So schlimm wird’s schon nicht werden.«
    »Außerdem kann ich dir ohnehin nicht helfen.«
    »Sollst du ja auch gar nicht. Mir geht’s mehr um die moralische Unterstützung.«
    Das ist der große Nachteil an den XY-Chromosomen. Man kann zwar seinen Namen in den Schnee pinkeln, solange es die Klimaerwärmung noch zulässt, ansonsten ist man den XX-Chromosomeninhaberinnen hilflos ausgeliefert. Vor allem, wenn sie lieb lächeln.
    »Na gut.« Viel schlimmer als das mit den XXern ist die eigene Neugier. »Worum geht’s wirklich?«
    »Keine Ahnung.«
    »Blödsinn. Ihr seid da irgendwem auf die Füße gestiegen, der mit deinem Vater Geschäfte macht. Irgendwas Großes. Fällt dir nichts ein?«
    »Hmm. Weiß nicht. Die ganze Seelensache ist so seltsam.«
    »Ach was. Darum geht’s doch überhaupt nicht.«
    »Du interessierst dich doch auch dafür!«
    »Eigentlich nicht. Ich tu nur einem Freund und seinen nervösen Vorgesetzten einen Gefallen, indem ich nachweise, dass dein Vater weder der Teufel ist noch einer seiner Gehilfen.«
    »Die Kirche glaubt, dass …« Jetzt blickte Elena wirklich verdutzt drein.
    »Genau.«
    »Gott sei dank bin ich armenisch-apostolisch. Die Katholen sind echt nicht auszuhalten.«
    »Wem sagst du das, aber sie zahlen gut. Also abgesehen von der Seelengeschichte, um was könnte es gehen?«
    »Mein Vater hat so viele Geschäfte am Laufen und alle sind irgendwie seltsam.«
    »Seltsam?«
    »Er hat beispielsweise einen Kredit auf ein serbisches Goldminenprojekt am Laufen.«
    »Serbische Goldminen?«
    »Ja, genau.«
    »Serbische Goldminen. So was gibt’s doch gar nicht.«
    »Seelen doch auch nicht. Was ihn nicht daran hindert, damit Geschäfte zu machen.«
    »Also gut. Wann sollen wir uns mit dem Kerl treffen?«
    »Halb zehn.«
    Ein kurzer Blick auf die Armbanduhr sagte mir, dass es auf neun Uhr zuging.
    »Wie kommen wir da hinauf?«
    »Ich hab ein Auto. Steht zu Hause. Wenn wir jetzt losgehen, geht’s sich noch aus.«
    Also zahlte ich und wir gingen. Langjährige Beobachtungen erhärten den Verdacht, dass immer der zahlt, der weniger Geld hat. Ob das allerdings Ursache oder Wirkung der Armut ist, lässt sich noch nicht sagen. Vielleicht klärt sich mir der Sachverhalt ja noch in Zukunft.

III
    Vor Elenas Haus waren wir in ihren kleinen Wagen gestiegen. Der mitternachtsblaue Fiat hatte sich im Laufe der Sonnenstunden aufgeheizt, so dass zu einem Saunaerlebnis nur noch Handtücher, Schmerbäuche und ein Aufguss fehlten. Meine Leinenhose klebte schweißnass am Beifahrersitz und alle 30 Sekunden musste ich mir einen Tropfen von der Nasenspitze wischen. Die geöffneten Fenster und der Fahrtwind halfen auch nichts. Aber mit einer verkauften Seele im Sündenregister konnte ich mich nicht früh genug an die Höllenhitze gewöhnen.
    Der kleine Fiat kämpfte sich die Johann-Staud-Straße hinauf ins Grüne. Der Asphalt war vielfach geflickt, an ein paar Stellen ausgewaschen, und so rumpelte das kleine Auto ordentlich. Auf den freien Flächen neben der Straße wurde eifrig gegrillt. In der einsetzenden Dämmerung ließ sich zwar nicht mehr allzu viel ausmachen, aber Kebabs riecht man auch im Dunkeln. Immer wieder musste Elena stehen bleiben, um Kinder über die Straße zu lassen, manche mit Fahrrädern, manche mit Fußbällen, und alle prächtig gelaunt.
    Oben im Wald war es dann still. Wir stiegen aus und gingen zu dem vereinbarten Treffpunkt. Unter ein paar Eichen setzten wir uns auf einen gefällten Baum und warteten. Hier an der Westseite des Hügels ging ein wenig Abendluft, und wenn es auch nicht wirklich kühl war, so doch angenehmer als in der kleinen Höllenkiste.
    Wir saßen da und starrten wortlos in die zunehmende Dunkelheit hinaus. Es war zwar schon halb zehn vorbei, doch es rührte sich nichts, bis auf die Zeiger meiner Uhr und die Baumblätter über uns in der Brise. Das Warten machte die Sache auch nicht besser. Wohl an die hundert Mal wollte ich aufstehen und zum Auto zurückgehen. Doch irgendwie blieb ich sitzen. Neugier vielleicht, Dummheit sicherlich. Es fühlte sich an wie im Wartezimmer beim Zahnarzt. Man sitzt dort und

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