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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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könnten?« Ihre Stimme war sanft, die Aussprache sehr klar und ohne den geringsten Anflug von Akzent.
    »Sicherlich. Wenn Sie hereinkommen wollen.« Ich öffnete die Tür und bat sie herein. Sie schüttelte jedoch nur kurz den Kopf.
    »Lieber nicht.«
    »Aber ich habe doch gar keinen Drudenfuß an der Tür hängen.«
    Sie starrte mich kurz verständnislos an.
    »Vergessen Sie’s, ich hab nur einen bizarren Sinn für Humor.«
    »Ich habe heute noch nicht gegessen. Wenn Sie wollen, lade ich Sie zum Abendessen ein. Als Ausgleich für die Störung und ein paar Fragen.« Sie lächelte mich an. Ich war baff.
    »Wenn Sie wollen, sehr gerne. Nur einen Augenblick, bis ich was Passendes angezogen habe.«
    Ich schloss die Tür und suchte mein Gewand heraus. Während ich in das schweißklamme Hemd fuhr, hämmerte mir ein Gedanke im Kopf herum: In was für eine Sache hatte ich mich da bloß wieder hineingeritten?

IV
    Ihr Auto parkte direkt vor der Haustür. Es war groß, schwarz und klobig, mit gelben Frontleuchten und augenscheinlich schon uralt.
    »Was ist denn das?«, fragte ich. »Ein Wolga?«
    Ich hatte ins Fahrzeuginnere gelinst, und einen Hirsch auf dem Lenkrad entdeckt.
    »Genau. Steigen Sie ein.«
    Ich blieb vorerst aber lieber draußen stehen. Sie hingegen saß schon drin.
    »Der ist sicher älter als ich.«
    »Kann sein, Baujahr ’73.«
    »Erfüllt der überhaupt noch die Verkehrs- und Abgasnormen?«
    »Wie ein Ökofreak schaun Sie mir nicht gerade aus.«
    »Na ja, bloßes Interesse.«
    »Mein Freund bastelt gerne. Wenn man ein bisschen herumschraubt, geht sich’s aus. Kommen Sie schon, zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.«
    Ich stieg ein und warf die Tür zu. Man sagt, die großen Automobilhersteller haben eigene Abteilungen, um den Türsound der Autos gut hinzukriegen, satt und voll soll es klingen. Damit der Kunde die gekaufte Qualität auch hört. So was hatten die tüchtigen Sowjetingenieure sicher nicht gehabt, aber der Sound war aberwitzig. Eine Mischung aus Panzerkuppel und Sargdeckel. Ich schnallte mich an, während sie den Motor anwarf. Ein Mangel an Pferdestärken konnte dem Auto nicht vorgeworfen werden.
    »Wie viel hat der denn drauf?« Ich beugte mich hinüber. »Ist das wirklich eine siebenstellige Zahl?«
    »Ja, wir haben diesen März die Million Kilometer geknackt.«
    »Rechnen die Russen nicht in Werst?«
    »Keine Ahnung. Großer Unterschied?« Sie blickte über die Schulter, als sie losfuhr.
    »Nein.«
    »Na, dann ist es egal.«
    »Säuft er viel?«
    »Sicher, ist ein echter Russe.«
    »Was?«
    »So ziemlich alles. Ich glaube, man kann sogar Rohöl tanken. Wenn der letzte Benz der Welt mit einem Kolbenfresser liegen bleibt, dann fährt noch irgendwo ein Wolga. Diese Autos sind unverwüstlich. Und irgendwie finde ich ihn sogar schön. Nicht George-Clooney-mäßig, sondern eher Richtung Jack Nicholson.«
    Da war was dran. Der Wagen hatte was, was nicht alle haben. Stil. Die Fenster waren unten, die Abendluft kühlte wohltuend, und wir fuhren die Hütteldorferstraße nach Westen. Zwischen den Häusern blinzelte uns die untergehende Sonne entgegen, die rot hinter dem Wienerwald zu verschwinden begann. Schließlich kamen wir die Maroltingerstraße hinauf nach Ottakring. Zwischen ein paar Wohnblocks und einem niedrigen Ziegelgebäude bog meine Fahrerin links ab und wir kamen nach ein paar Metern vor einer Pizzeria zu stehen. ›Alfredo‹ stand auf dem Leinentransparent, das über dem Eingang hing. Die Wohnblocks hinter uns waren die letzten Vorposten der dicht bebauten Stadt. Vor uns lagen grüne Hügel, mit Einfamilienhäusern und Kleingartensiedlungen bebaut. Entfernt im Eichenwald glänzte die goldene Kuppel der Otto-Wagner-Kirche, die innen aussieht wie ein U-Bahn-Klo.
    »Ich hoffe, Sie sitzen gerne draußen. Die Sommerabende in Wien haben für mich immer so ein Italiengefühl.«
    Mit diesen Worten stieg sie aus und warf die Tür zu. Mir blieb nichts anderes übrig, ich musste auch aussteigen. Gegen italienisches Essen habe ich nichts einzuwenden. Draußen sitzen mag ich gar nicht. Ich will meine Bücher auf Papier, meinen Tee aus der Kanne und mein Essen unter Dach. Gegen Pixel, Teebeutel und Freiluft hege ich eine entschiedene Abneigung. Aber da sie das Geld hatte, musste ich wohl oder übel meine Abneigung hinunterschlucken. Also folgte ich ihr widerspruchslos.
    Auf einer Terrasse aus Waschbetonplatten standen unter ein paar Birken etwa zehn schön gedeckte Tische aus dunklem Holz, mit

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