Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
Vom Netzwerk:
halber Liter Cognac. Wenn möglich, war der noch gnadenloser als der Morgen. Mehr als eine Stunde konnte ich nicht geschlafen haben. Denn wenn mich meine Erinnerung nicht trog, war es schon dämmrig gewesen, als wir zu Bett gegangen waren. Ich quälte mich hoch. Kopfschmerz war noch keiner da, der Kater schläft stets länger als sein Besitzer. Alles andere war aber schon hellwach. Die Schmerzen in Thorax und Gelenken, das Brennen der Abschürfungen am ganzen Körper und eine Legion Dämonen aus der Schnapsflasche im Magen. Stolpernd und schwindlig stelzte ich ins Bad.
    Weiße Fliesen, goldene Zierleisten, weißes Porzellan und mittendrin einer, der seine Seele rauskotzte. Das war ich. Wie immer Herr der Lage und voll elegantem Esprit. Halt, Seele rauskotzen, so ein Blödsinn, die hatte ich ja verscherbelt. Außerdem schien mir das Bild aus dem Matthäusevangelium passender: »Da fuhren die bösen Geister von dem Menschen aus und fuhren in die Säue; und die Herde stürmte den Abhang hinunter in den See und ersoff.« Das hatte schon Dostojewski verwendet. Wie immer mehr als hundert Jahre zu spät, der Linder.
    Als ich ein paar Minuten später Gesicht, Mund und Nase mit lauwarmem Wasser wusch, war ich zu einer endgültigen Einsicht gekommen. Wenn das, was ich da rausgekotzt hatte, meine Seele war, dann war es wirklich besser, keine zu haben. Das Zeug war echt grauslich. Wahrscheinlich war es auch klüger, nicht so viel zu trinken.
    Anschließend zog ich mich an und ging. Leise, leise, leise. Hinter mir ließ ich die zu Asche und kaltem Rauch zerfallenen Träume der letzten Nacht zurück, nebst einer sanft schlafenden Frau, die mir Obhut, Geborgenheit und Interesse geschenkt hatte. Klar, dass Gott den Mann zuerst erschaffen hatte, schließlich brauchte er für sein Meisterstück ein wenig Übung.
    Ohne Aufsehen zu erregen, kam ich durch die Lobby hinaus auf den Ring, wo es zwar schon taghell, aber noch nachtkühl war. Außerdem schien es geregnet zu haben. Die Straßen waren nass und glänzten. Die Passanten spiegelten sich ebenso wie die Autos. Alles wirkte klar und sauber. Die Luft roch nach Chlorophyll und Leben. Das Rauschen der Autos auf der nassen Fahrbahn fing sich in den alten Bäumen der Ringstraße, irgendwo hinten klingelte hell eine Tram.
    Ich stieg ein und fuhr zur Uni. Neue Kleidung schien mir wichtig. Je näher ich der Uni kam, umso mehr schlug die Paranoia durch. Überall meinte ich Anabolikagebirge zu sehen, die hinter mir her waren. Die Leute, die dafür zu klein und zu schmächtig waren, hielt ich einfach nur für gut getarnt. Nachdem ich ausgestiegen war, beim Rathaus und nicht bei der Uni, ging ich von hinten hinein. Jede Menge Treppen Umweg, immer langsam und vorsichtig. Erstens Paranoia und zweitens Blessuren. Vor jeder Ecke blieb ich stehen und horchte. Als ob ich Gangster am Atemgeräusch von friedlichen Bürgern unterscheiden könnte. Ich horchte trotzdem.
    Endlich stand ich in meinem Büro. Weder am Schloss des Instituts noch an dem meines Büros oder eines anderen, fanden sich irgendwelche Spuren. Entweder waren sie gar nicht da gewesen oder sie waren so gut, dass sie keine Spuren hinterlassen hatten. Warum hätten sie gar nicht da gewesen sein sollen? Waren sie wirklich so dumm, wie sie gewirkt hatten? Unsicherheit machte sich breit. Ich drängte meine Befürchtungen zurück und zog mich um. Die alten Sachen stopfte ich in einen Plastiksack. Das Zeug stank nach Angstschweiß und kaltem Rauch. Eine Katzenwäsche später war ich frisch gekleidet, besser fühlte ich mich deswegen nicht. Dann machte ich mich wieder auf den Weg. Nachdem ich vorsichtig aus der Uni rausgekommen war, ging ich zum Rathauspark. Zwischen den Bäumen wurde man nicht so gut gesehen, und außerdem machten die Autos auf den nassen Straßen Lärm. Den konnte ich nicht gebrauchen, denn ich wollte telefonieren.
    Zwischen den Bäumen ließ ich mich auf einer Bank nieder und wählte Mikes Nummer.
    »Hi.«
    »Servas.«
    »Wie schauts mit meiner Wohnung aus?«
    »Dauert sicher noch 14 Tag, drei Wochen.«
    »Miete zahl ich dir bis dahin keine. Red mit deiner Hausverwaltung.«
    »Ich zahl schon die ganze Reparatur von mein’ Geld. Des geht net.«
    »Du bist der Vermieter und Eigentümer. Du hast zugelassen, dass ich in einer Wohnung ohne Schuko gelebt habe.«
    »Wie meinen?«
    »Ein anderer hätt dich dafür verklagt.«
    »Na gut.«
    »Fein.«
    »Und sonst?«
    »Hast du die Nummer vom Kurt?«
    »Za wos?«
    »Drei mal darfst du

Weitere Kostenlose Bücher