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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Osten. Dort fließt so viel österreichisches Kapital hin, da fällt das weiter gar nicht auf, wenn die richtigen Leute zwei oder drei von den Scheinen mehr einwechseln als sonst.«
    »Ist nicht so wie im Kleinen Walsertal.«
    »Genau.« Wir lachten beide. Dort hatten ein paar Leute versucht, fünf Zehn-Millionen-Dollarscheine bei der örtlichen Raiffeisenbank zu wechseln. In einem Ort mit schätzungsweise 800 Einwohnern. So viel Dummheit ist verehrungswürdig.
    »Woher weißt du das?«
    »Kana hatte einen anderen Geschäftspartner, der hat einen Hedgefonds gemanagt, und als dann die Krise ausbrach, hat er sich abgesetzt. Mit ein paar Koffern voller Geld. Ist einfach davongesegelt, mit seiner Jacht ›No Remorse‹. Die Kanzlei hat den vertreten. Ich hab persönlich die Akten von dem Kerl vernichtet. Mann, hat der ein Konto auf den Caymans, kann aber nicht ran, weil wenn er abhebt, dann schnappt die Falle zu.«
    »Was ist mit Kana?«
    »Der ist pleite, glaub ich.«
    »Serbische Goldminen sind ziemlich tief.«
    »Genau, da versackt jede Menge Kohle. Außerdem glaub ich, dass da schon Ermittlungen im Gange sind.«
    »Eugen, danke. Werd mir den Rest der Liste anschauen, dann hörst du von mir.« Ich legte auf. Was bei einem Handy ja gar nicht geht, das hat nur einen roten Knopf. Den drückte ich.
    Ich setzte mich meiner Chefin gegenüber. Dabei verlor ich den letzten Rest an Würde, der mir noch geblieben war. Steif wie ein Besenstiel, Schmerzen wie ein arthritischer Greis, ein tiefer Polstersessel ist da echt eine Herausforderung. Schließlich saß ich dann doch. Ein wenig verkrümmt zwar, aber immerhin. Nur aufstehen konnte ich ohne Hilfe nicht mehr. Zu Hause hätte ich Sound gemacht, Tee getrunken und mich mit einer schönen Dolde ins Nirvana katapultiert. Im Hotelzimmer meiner Chefin war das nicht möglich. Es gab hier schlichtweg weder Tee, Dope noch Sound. So trist ist das Luxusleben.
    »Wer den Verfolgten bei sich aufnimmt, nicht hinauswirft und ihn sättigt, dessen ist das Himmelreich, sagt das Evangelium.«
    »Welches?«
    »Ein apokryphes.«
    »Sehr apokryph, das nach Linder?«
    »Genau, sehr gutes Buch, sollten Sie mal lesen.«
    »Ich hab das jeden Tag vor Augen, das muss ich nicht mehr lesen.«
    »Kann ich gut verstehen, geht mir genauso.«
    »Warum sind Sie nicht am Institut?«
    »Weil ich dort nicht hin kann.«
    »Wasserschaden?«
    »Nein, Schwermetallverseuchungsgefahr.«
    »Warum kommen Sie dann zu mir?« Das war eine gute Frage. »Haben Sie keine Freunde?«
    »Schon, aber irgendwie auch nicht, und vor allem will ich dort nicht hin.«
    »Weil Sie die nicht in Gefahr bringen wollen, mich jedoch schon.«
    »Nein, niemand kommt je auf die Idee, dass ich bei Ihnen sein könnte, und wenn jemand so clever sein sollte, dann besucht er sicher zuerst Ihren Mann. Das wäre sicher keine schöne Erfahrung für ihn.«
    Frau Ordinarius strahlte.
    »Linder, das haben Sie gut gemacht. Könnten wir den Leuten nicht einen Tipp geben?«
    »Nein, das wäre zu gewöhnlich.«
    »Da haben Sie leider recht. Wäre wunderschön.« Sie nahm ihr Glas, ging zur Bar und kam mit zwei vollen Gläsern zurück. Das eine stellte sie vor mich hin. Das andere behielt sie in der Hand. Der Schwenker mit dem Cognac stand ihr ausgezeichnet.
    »Wollen Sie ein Schmerzmittel?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann leiden Sie halt. Ich will kein Jammern und kein Ächzen hören.«
    »Gut.«
    »Erzählen Sie.«
    Und ich erzählte.
     
    Irgendwann später war dann das Licht gedimmt, die Karaffe stand vor uns auf dem Tisch und mir ging es prächtig. Der Rest der psychoaktiven Substanzen vom Vortag, ein leerer Magen, Schmerzen und die Aufregung, die sich nun langsam legte, spielten gut zusammen. Ich war so ungeheuer nüchtern, wie man sich nur dann fühlt, wenn mehr Schnaps im Magen ist als in der Flasche. Ich glaubte, mich dunkel daran erinnern zu können, dass wir einmal den Zimmerservice bemüht hatten. Aber Essen war auf dem Tablett keines gewesen. Na gut, feste Nahrung wird für gewöhnlich überbewertet.
    Meine Chefin hatte die Beine untergeschlagen und spielte mit einem goldenen Feuerzeug. Außerdem rauchte sie an diesem Abend lange, dünne, weiße Zigaretten. Der blaue Rauch kräuselte sich empor zum Plafond. Es roch nach Tabak, Chanel und Cognac. Ein perfekter Augenblick. Völlige Harmonie. Weit unten im tiefen, schwarzen Wasser tobten Schmerzen, aber irgendwie passte auch das gut dazu.
    »Sie rauchen? Ist mir noch nie aufgefallen«, bemerkte ich

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