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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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noch eine Karte dazuschreiben?«
    »Nein, ich denke, die Blumen sagen das Nötige.«
    Alles nickte.
    Mir wurde eine Rechnung ausgestellt, sie belief sich auf etwa 75 Euro. Als ich zahlte, fragte ich naiv: »Inklusive Zustellung?«
    »Zustellservice könnten wir leider keinen anbieten. Das müssen Sie leider selber erledigen.«
    »Das ist schlecht.« Erstens hatte ich keine Lust, mit dem Gewächshaus durch Wien zu laufen, und zweitens wollte ich unbedingt zu Kurt.
    »Kann man da gar nichts machen?«
    Die drei sahen sich an. Dann sprach die Jüngste: »Gebns den Strauß her. Ich bin mit dem Fahrrad da, wohin soll ich ihn bringen?«
    Ich nannte Hotel, Adresse, Namen und Zimmernummer. Dann gab ich ihr die restlichen 25 Euro vom Hunderter. Ich war ihr wirklich dankbar. Mit einem Blumenstrauß anklopfen. Wenn mich Glanicic-Werffel gesehen hätte. Ich wäre gestorben. Einfach so.
    Das lag also hinter mir und ich machte mich auf, Kurti zu treffen.

VI
    »Ein Glas lauwarmes Wasser bitte.«
    »Herst, Burli, hams dir ins Hirn gschissen?«
    Ich saß seit 30 Sekunden neben Kurti am Tresen des Café Kotanko in der Märzstraße, Wien XV. Das Kotanko misst etwa 5x6 Meter, die Straßenfront wird von einem Fenster und der Tür eingenommen. Über der Tür hängt ein gelbes Schild mit der schwarzen Aufschrift ›Hornig Kaffee‹. Die Fensterscheiben sind so mit Zigarettenrauchrückständen verklebt, dass kaum Licht hereindringt. Vom Tresen aus kann man die drei Tische kaum erkennen.
    Außer Kurti und mir waren noch die Serviererin anwesend und zwei Männer Mitte 50. Der Besitzer und ein weiterer Gast. Alle saßen auf hohen Barhockern und tranken schwarzen Kaffee aus kleinen Mokkatassen. Der eine oder andere hatte nicht nur Kaffee vor sich stehen, das verrieten winzige Schwenker, in denen sich einmal Weinbrand befunden haben mochte. Außerdem stand ein wohlgefüllter Aschenbecher vor jedem der Gäste. Auch die Bedienung rauchte.
    Der Chef las Zeitung, während ihm der eine Gast, südländischer Typus mit Schnauzbart und Goldring, dabei zusah. Nun war aller Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Dass hier drinnen jemand Wasser bestellte, war sicher nicht mehr vorgekommen, seit das letzte Mal die Oma von Methusalem den Boden gewischt hatte.
    »Ich würd auch gern was anderes trinken, aber das wird nicht unten bleiben.« In dem Café wollte ich unter keinen Umständen aufs Klo müssen, und um einfach unter den Tresen zu kotzen, war es noch zu früh am Tag. Irgendwann in der Nacht schien das herinnen durchaus möglich zu sein.
    »Haben Sie Magenverstimmung?«, fragte mich die Bedienung hinter dem Tresen mit weichem, böhmischem Tonfall.
    »Ach was, gsoffen hat er wie net gescheit, der Burli«, gab Kurti seine fachmännische Meinung ab. »Schaut aus wia a gespiebenes Äpfelkoch.«
    »Soll man nicht so viel trinken, seh’ ich jeden Tag hier drin«, meinte sie hinter dem Tresen, während sie ein Glas Wasser einschenkte, Zigarette im Mundwinkel.
    »Wahnsinn. I pocks net«, unterbrach der Chef die Unterhaltung. Er faltete die großformatige Tageszeitung, die er las, und zeigte uns allen die Seite 2 mit der Innenpolitik.
    »Die Narrischen wulln den Nichtraucherschutz ausweiten! Dann drah i die Windn zua. Wer gehtn ins Café, wenn er nimma tschikken darf?«
    »Schreiben sie in Zeitung, dass dann mehr Familien mit Kindern Kaffeehaus gehn«, meinte der Mann mit Goldring. Einen Moment herrschte Stille, alles schaute sich an und dann wurde höhnisch gelacht.
    Nachdem alle fertig gelacht und sich die Tränen aus den Augenwinkeln gewischt hatten, zog der Chef die Nase hoch und räusperte sich. Grauenhaftes Geräusch.
    »Die Grünen san dafür. A so ana Batzer. Zerst gegens Autofahrn, dann gegens Rauchen, morgen wuillns uns des Schnackseln a no verbieten.«
    »Gegen Glickspiel sans a«, warf der Goldringträger ein. »Weg mit die Automaten.«
    »Lauter Spinner. Wohin ma a schaut. Ma hat den Eindruck, es wird immer schlimmer.« Wieder zog er die Nase hoch. Wieder dieses Geräusch. Es klang so, wie wenn man einer verwesenden Wasserleiche versehentlich in den Bauch tritt und dann den Schuh aus dem Schleim zurückzieht, oder so ähnlich. Es würgte mich jedenfalls wieder, doch anscheinend war nichts mehr im Magen.
    Nachdem der Chef zur Lektüre seiner Zeitung zurückgekehrt war, schien Ruhe eingekehrt zu sein, bis sich von hinten ein Mann einmischte, der mir bisher entgangen war. Er saß vor einem großen Glas Bier, neben dem ein kleines Wasserglas stand. Das

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