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Seelensunde

Seelensunde

Titel: Seelensunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silver Eve
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ihn jetzt gefangen hielt.
    „Was für eine Scheiße“, stieß er hervor. „Entweder ich öffne die Schatulle und werde zu Staub – oder Naphré wird es.“
    Izanami nahm eine der Kuchenplatten und hielt sie ihm entgegen. Wie ihre ganze Gestalt waren auch ihre Hände vom weißen Stoff des Gewands verhüllt. Auch von ihrem Gesicht oder ihrem Haar war nichts zu sehen. Alastor merkte, wie sie ihm musterte, abschätzte. Er hatte das unangenehme Gefühl, vor einem Prüfungsgremium zu stehen.
    „Kleine Stärkung gefällig?“, fragte sie mit süßer Stimme.
    Er warf einen Blick auf den Teller. Sein Magen rebellierte. Trotzdem war ihm eher danach, Izanami die Platte aus der Hand zu schlagen und sie gegen die Wand zu schleudern. Aber Alastor beherrschte sich. Er hatte hier noch eine lange Zeit, eine Ewigkeit vor sich. Da sollte er es sich mit seiner Gastgeberin nicht gleich beim ersten Zusammentreffen verderben. Abgesehen davon hatte er am meisten Grund, auf sich selbst wütend zu sein.
    „Nein, danke“, brachte er etwas gepresst hervor. „Bediene dich nur selbst.“
    Wieder lachte sie ihr perlendes Gelächter, das wie ein sanfter Regen klang, der ins Schilf fiel. „Ich kann das nicht essen. Ich kann mich nur von der Speise der Toten ernähren.“
    Er blickte sie fassungslos an. Plötzlich erschien ein Hoffnungsschimmer am Horizont, dem er aber nicht so recht traute.
    „Das musst du mir erklären“, brachte er mit Mühe hervor.
    „Ah, wieder dieser Befehlston.“ Aber sie klang eher amüsiert als verärgert. „Das ist keine Totenspeise, sondern Essen aus der Oberwelt. Die Shikome hat es mir für diesen besonderen Anlass besorgt.“
    „Und dieser besondere Anlass diente dazu, mich auf die Probe zu stellen?“
    „Sicher. Hast du meiner Geschichte nicht zugehört? Hast du nicht gehört, was ich übern Naphrés Vater erzählt habe? Und über sie?“
    Alastor musste sich einen Augenblick lang auf ihre Worte besinnen. „Naphré stammt in direkter Linie von dir ab. Richtig?“
    „Es liegen etliche Generationen dazwischen, aber es stimmt“, sagte Izanami mit einem leichten Nicken. Sie schwieg einen Moment und wandte den Kopf zur Seite. „Du hättest uns viel Zeit und Mühe erspart, wenn du der Shikome auf der Straße bei den Setnakhts freundlicher entgegengetreten und ihr gefolgt wärst, als sie dich darum gebeten hat. Stattdessen hat dich jemand ins Jigoku geschickt. Offenbar in der Absicht, euch von mir fernzuhalten. Oder vielleicht, um dich davon abzuhalten, eine wichtige Entdeckung zu machen. Ich bin das jedenfalls nicht gewesen. So viel kann ich dir sagen: Naphrés Mutter wusste nichts von der Bestimmung ihrer Tochter. Insofern konnte sie auch Isis nichts verraten. Aber mehr noch: Ich kenne ihre Bestimmung auch nicht. Ich überlasse es dir, es herauszufinden.“
    „Heißt das – du schickst mich zurück?“
    „Richte Malthus Krayl meine besten Grüße aus. Du kannst ihm sagen, dass seine Blumen eine gute Wahl gewesen sind.“
    Bevor Alastor noch irgendetwas erwidern konnte, hatte Izanami das Portal geöffnet. Er spürte den bitterkalten Hauch aus dem schwarzen Loch, aber er empfing diese unsagbare Kälte mit einem Gefühl der Dankbarkeit.
    Alastor zögerte einen Moment. „Ich danke dir“, sagte er. Dann warf er über Schulter einen Blick zurück auf Izanami. „Und der Deal mit meinem Vater …?“
    „… ist null und nichtig. Schließlich habe ich die älteren Rechte auf Naphré Kuratas Seele. Darüber hinaus hat sie das erste Blut genommen. Isis hat auf ihre Rechte nie verzichtet, ganz gleich, wofür Naphré sich entschieden hat. Wegen des ersten Bluts sind Isis’ Rechte nun die stärkeren. Ich gebe Sutekh den Sohn zurück. Sollte dein Vater auf seinen Forderungen beharren, bekommt er es mit mir zu tun. Dein Vater mag sehr mächtig sein, aber … sagen wir es einmal so: Ich sehe einer Herausforderung gelassen entgegen. Und um jede Diskussion hier zu beenden, überlasse ich Naphrés Seele demjenigen, der es wirklich verdient, sie in Obhut zu nehmen. Und das bist du, Alastor Krayl. Du hast ihr Herz gewonnen. Ihre Seelensünden sind jetzt deine Sache. Und nun, geh.“
    Damit verschwand Alastor durch das Portal.
    Die Landung war hart. Naphré brauchte eine Weile, um sich davon zu erholen. Sie war mit der Schulter und dem Becken aufgeschlagen, und die Schmerzen waren grausam. Aber noch elender war der Schmerz, der daher rührte, dass sie Alastor verloren hatte.
    Er war verloren. Unwiederbringlich.
    Alles

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