Seelensunde
Dann würde ich deine Seele für Naphrés akzeptieren. Dann gäbe es aber auch kein Zurück für dich, Reaper.“
„Bist du noch bei Trost?“ Naphré drehte sich zu ihm um und sah ihn entsetzt an. Noch etwas anderes glaubte Alastor in ihrer Miene zu erkennen, aber er wollte der Hoffnung keinen Raum geben.
„Geh zurück, solange du noch Gelegenheit dazu hast“, sagte Naphré. Es klang beinahe wie ein Befehl. Dann wandte sie sich an Izanami und machte eine leichte Verbeugung, wie sie es von ihrem Großvater gelernt hatte, wobei es ihr nicht gelang, das Zittern zu unterdrücken. „Ich möchte dich ergebenst darum bitten, ihn fortzuschicken, Izanami-no-mikoto. Ich stehe zu deiner Verfügung. Meine Seele gehört dir. Lass ihn gehen.“
Als sie Alastor einen kurzen Blick zuwarf, sah er, dass ihr Tränen in den Augen standen. Alastor war zutiefst erschüttert und beschämt. Seine stolze Naphré. Mit keiner Silbe hatte sie für sich selbst gesprochen.
„Lass ihn gehen. Bitte“, flüsterte Naphré noch einmal.
Das genügte. Alastor ließ sie los und trat an die enorme Tafel.
„Alastor! Nein!“, rief sie.
Aber er ließ sich nicht aufhalten. Vor einer Platte mit Gebäck machte er halt, schaute einen Moment und entschied sich dann für ein Petit Four mit rosa Zuckerguss. Rosa aus einer Sentimentalität heraus, weil es ihn an ihren rosa Pyjama erinnerte. Wie unendlich lange war das schon her. Eine Portion Süßes kann sowieso nie schaden, dachte er grimmig.
Naphré starrte ihn an und schrie auf, als er das Gebäck mit zwei Bissen verschlang. Ihr Gesicht war vor Entsetzen zu einer Maske erstarrt.
Als er heruntergeschluckt hatte, stellte er sich wieder zu ihr, nahm ihre Hand und ließ auch nicht zu, dass sie sie wegzog. Dann sagte er zu Izanami: „Du hast es mit eigenen Augen gesehen. Ich habe von der Speise der Toten gegessen, und da ich das in den Grenzen deines Reiches getan habe, gehört meine Seele jetzt unwiederbringlich dir. Das sollte dir als Beweis genügen, Izanami-no-mikoto. Und nun lass Naphré frei.“
Noch während er sprach, merkte er, wie der Zucker seine Wirkung tat, und er hoffte inständig, dass es ausreichen würde. Denn er war keineswegs davon überzeugt, das Izanami Wort halten würde.
Er nahm seine ganze Kraft und Konzentration zusammen,machte die bewusste Armbewegung und stellte zu seiner grenzenlosen Erleichterung fest, dass sich tatsächlich das Portal öffnete. Vor sich das vor Kälte dampfende schwarze Oval, nahm er Naphré und stieß sie in das dunkle Loch. Mit rudernden Armen gelang es ihm gerade noch die Balance zu halten. Für eine Sekunde trafen sich noch einmal Naphrés und seine Blicke. Dann war sie verschwunden, und das Portal war geschlossen.
Alastor fühlte einen brennenden Schmerz in seiner Brust. Sie hatten nicht einmal die Zeit für einen Abschied gehabt. Er konnte nur hoffen, dass sie das Wissen darum mitgenommen hatte, dass er sie liebte.
„Du hast die Wahrheit gesprochen“, bemerkte Izanami ruhig.
Alastors Herz klopfte wie wahnsinnig. Er drehte sich zu ihr um, immer noch von Schmerz und Reue erfüllt. „Ja“, sagte er, „dieses eine Mal habe ich die Wahrheit gesprochen.“
Als er um sich blickte, bemerkte er erstaunt, dass die Shikome nicht mehr da war. Auch von den Leichenhaufen war nichts mehr zu sehen, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Alles, was noch da war, waren die Tafel mit dem Essen und die Wände dieses Raums, der mehr einer Höhle glich, in der er jetzt mit Izanami allein war. Die Tafel, die er sich jetzt genauer betrachtete, war ein schlichter langer Tisch mit einem weißen Tischtuch. An den Beinen wanden sich Weinreben, in deren große Blätter weiße Blüten gewunden waren.
„Mondblumen“, sagte Izanami. Alastor schien es, als habe er ein Lächeln über ihr Gesicht huschen sehen. „Sie waren ein Geschenk. Komm. Setz dich.“ Sie zeigte zum Tisch.
Warum nicht, dachte er und nahm Platz. Jetzt habe ich ja alle Zeit der Welt. Dabei konnte er noch immer nicht ganz glauben, was er getan hatte. „Ich hätte da ein paar Fragen“, meinte er dann, „oder vielmehr Anliegen.“
„Anliegen? Glaubst du, dass du das Recht dazu hast?“
Alastor schüttelte den Kopf. „Sicher nicht. Ich habe hier gewiss keinerlei Rechte. Es sind lediglich Nachfragen. Ob du daraufeingehen willst, liegt ja ganz allein bei dir.“ Izanami neigte graziös den Kopf. „Sprich.“
„Sag mir, ob Naphré heil angekommen ist.“
„Das klingt weder nach einer Frage
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