Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
Der Mazda vor ihr kroch im Schneckentempo. Wahrscheinlich ein Bauer, der noch nicht mitbekommen hatte, dass er ausnahmsweise einmal in einem Auto saß und nicht auf seinem verdammten Trecker. Sie drehte das Radio eine Spur lauter. Das Armaturenbrett vibrierte unter den Beats der neuen Lautsprecher.
Endlich bog der verflixte Mazda ab. Maren beschleunigte ihren Mini auf neunzig Stundenkilometer, bis der Hof von Peters Eltern in Sicht kam. Kurz bevor das mächtige, rot geklinkerte Bauernhaus auftauchte, trat sie kräftig auf die Bremse. Ab hier glich die Zufahrt einem Schweizer Käse. Der Sand war an vielen Stellen weggespült, darunter kam uraltes Kopfsteinpflaster zum Vorschein. Einige der Schlaglöcher waren so groß, dass der halbe Mini bequem hineingepasst hätte. Konzentriert lenkte Maren um die Hindernisse herum. Warum besserte Peters Vater den Weg nicht endlich aus? Für dieses kleine Stück brauchte man fast so lange wie vom Nachbarort in dieses Kaff.
Vorsichtig bewegten sich ihre Füße über den Hof. Mit ihren hochhackigen Büroschuhen war das Kopfsteinpflaster eine echte Herausforderung. Was sie für Peter nicht alles in Kauf nahm. Aber ihr Freund war es hundertprozentig wert. Wie sehr sie sein verschmitztes Lächeln liebte, das sich zu jeder sich bietenden Gelegenheit keck auf sein Gesicht zauberte. Oder seinen feinen Sinn für Humor und seine Feinsinnigkeit generell. Peter war das Gegenteil von dem berüchtigten Elefanten im Porzellanladen, immer charmant und zuvorkommend. Und da das Auge bekanntlich mitaß und ein hervorragender Geist ohne entsprechende Verpackung wenig Freude bereitete, war es umso schöner, dass Peters Körper in allen Bereichen mithalten konnte. Er war sportlich, ohne muskulös zu wirken, und drahtig, ohne dünn zu erscheinen. Kurzum: die perfekte Mischung.
Nur der Vorfall von gestern passte nicht so recht ins Bild. Wieso kippte ein kerngesunder, durchtrainierter Mann auf dem Sportplatz ohne ersichtlichen Grund einfach um?
Maren merkte, wie ihre Gedanken sorgenvoll um all die schrecklichen Themen kreisten, die ihr vom Hörensagen, aus der Zeitung oder den Nachrichten bekannt waren. Sie erinnerte sich an Geschichten über Krebsleiden und Tumore, die von einem Tag auf den anderen ausbrachen, und einen gesunden Körper binnen weniger Wochen in ein Wrack verwandeln konnten.
Um sich abzulenken, suchte Maren im CD-Regal nach guter Musik. Peter war ein toller Mann, aber musikalisch eindeutig in den Neunzigern hängen geblieben. Wie gut, das ihre CDs mittlerweile fast alle bei ihm waren. Sie griff nach Billy Talent und schnappte sich die Kopfhörer, um sich richtig zudröhnen zu können.
Peter kam in die Wohnung und gab ihr einen flüchtigen Kuss. Sein Gesicht war schmutzverkrustet, und sein Overall glänzte feucht und roch nach Öl.
»Ich steig schnell unter die Dusche«, sagte er lächelnd. »Bist du fertig? In einer halben Stunde ist Abendessen.«
Maren nickte und schaute ihm nachdenklich hinterher. Obwohl Peter nun schon seit über einem Jahr ihr Freund war, fiel es ihr noch immer unglaublich schwer, sich daran zu gewöhnen, dass hier alle gemeinsam zu Abend aßen. An Wochenenden und an Feiertagen gab es oft auch ein gemeinsames Frühstück.
Gemeinsam hieß in diesem Fall zusammen mit seinen Eltern. Manchmal kamen auch noch weitere Bekannte und Verwandte dazu.
Zuerst hatte Maren herzlich darüber gelacht, als Peter ihr am Anfang ihrer Beziehung ernst erklärte, dass Bauern viel Wert auf solche Rituale legten. Schnell war ihr jedoch klar geworden, wie ernst es ihm wirklich war und was für ein schlechtes Gewissen er bekam, wenn sie das Abendessen mit seinen Eltern ausnahmsweise einmal verpassten, aus welchen Gründen auch immer.
Eine kräftige Hand berührte ihre Schulter. Zärtlich begann Peter, ihren Nacken zu massieren. Maren stöhnte leise und setzte die Kopfhörer ab.
»Mehr davon«, murmelte sie wohlig.
»Gerne. Wenn wir wieder hier sind.« Peter zog die Finger zurück und zeigte auf die Tür. »Komm. Wir sind spät dran.«
Peter schloss die Tür des Haupthauses auf, ohne anzuklopfen. Als wohnten sie selbst hier, gingen sie durch den dunklen Flur, dessen Boden mit grünem Linoleum ausgelegt war und dessen getäfelte Wände dunkelbraun schienen. Das Holz war an vielen Stellen beschädigt. Unzählige kleinere und größere Kerben zeugten davon, dass in den letzten Jahrzehnten immer mal wieder Gegenstände an die Wand gestoßen sein mussten. Ein schmaler Gang zweigte links
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