Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
wurde er ruhiger. Der feurige Schmerz in seinem Knie wich einem dumpfen Pochen.
»Du bist auf einmal ganz feucht«, stellte Maren erstaunt fest und reichte ihm dann das Wasser.
»Mein Knie. Ich dachte …« Peter leerte das Glas in einem Zug, gab es ihr zurück und schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nur ein Krampf.«
»Vielleicht tut uns ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft gut.«
»Warum nicht.«
Erneut fuhr Peter sich mit der Hand über das Knie. Auch das Pochen verblasste allmählich. Er atmete einmal tief durch, schwang seine Beine aus dem Bett und erhob sich. Die Erkenntnis, dass sein Knie zu halten schien und nicht unter dem Gewicht des Körpers einknickte, beruhigte ihn ungemein. Er machte einen ungelenken Schritt.
Es klappte.
Maren stand an der Tür und musterte ihn besorgt.
»Du humpelst«, stellte sie fest.
Peter winkte ab. »Wahrscheinlich hat mich einer der Feuerwehrleute umgegrätscht, als ich das entscheidende Tor machen wollte.«
Sie durchquerten den Flur, und Peter öffnete die Haustür. Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ das Kopfsteinpflaster im Hof hell glitzern. Maren hakte sich bei ihm unter, als sie über die teilweise arg ramponierten und windschiefen Steine gingen. Früher, als der Hof seiner Eltern noch bewirtschaftet wurde, fuhren Trecker und Landmaschinen hier auf und ab. Einer solchen Belastung waren die Steine nicht lange gewachsen. Mit der Zeit verwandelte sich der einst sorgfältig gepflasterte und völlig ebene Hof zu einem tückischen Hügelparkour.
Peter seufzte leise. Seit zehn Jahren bereits fuhren keine Landwirtschaftsmaschinen mehr über das Pflaster. Seit zehn Jahren herrschte mehr oder weniger große Stille. Gewöhnt hatte er sich immer noch nicht daran.
Hinter dem Haus seiner Eltern, das sich am Anfang des Hofes befand, begannen die Wiesen. Früher grasten auf den Weiden über einhundert Kühe. Inzwischen waren viele Wiesen verpachtet, und auf den übrigen wucherten Blumen und Gräser.
Sie gingen Hand in Hand durch das feuchte Gras, und Peter atmete die frische Luft ein. Auf einmal war er froh, dass auf dieser Wiese kein einziger Baum stand. Keine Tannen. Und schon gar keine schneebedeckten.
Maren zog an seinem Arm, und nun erst fiel ihm auf, dass seine Freundin stehen geblieben war. Sie blickte ihn ernst an und legte ihm die Hände auf die Schultern.
»Jetzt mal raus mit der Sprache. Was ist denn nun eigentlich passiert?«
»Ich war auf dem Fußballplatz. Plötzlich wurde mir furchtbar kalt, meine Beine gaben nach. Und dann befand ich mich in einem dichten Wald. Überall lag Schnee, und ich trug Uniform und Gewehr.«
Im Weitergehen erzählte Peter die Einzelheiten seines Erlebnisses. Die Wiese fiel nach einer Weile sanft ab und mündete am unteren Ende in einen kleinen mit Seerosenblättern überwucherten Teich. Kurz dahinter zog sich die Landstraße wie ein gefräßiges Ungeheuer durch die Natur.
»Ich bin verwundet worden. Ein Ast traf mein Knie. Als ich aufwachte, hatte ich noch immer genau die gleichen Schmerzen wie in meiner Vision. Einen Moment dachte ich wirklich, meine Kniescheibe wäre zerschmettert.« Peter winkelte das linke Bein an und streckte es nach vorn aus. »Ich habe nach wie vor ein Ziehen in den Muskeln.«
»Ich möchte wissen, wieso du dich ausgerechnet an einem Kriegsschauplatz wiederfandest«, sagte Maren nachdenklich.
»Keine Ahnung«, antwortete Peter. »Das Merkwürdige ist, dass ich mich noch nie besonders für Kriege interessiert habe. Ob Weltkriege oder irgendwelche anderen Scharmützel, schon in der Schule fand ich diese Themen sterbenslangweilig. Ich mag Waffen, Soldaten und alles, was damit zusammenhängt, nicht. Herrgott, ich war ja nicht mal bei der Bundeswehr. War schwer was los im Dorf, als ich damals als Einziger verweigerte und Zivildienst machte. Bauern sind da manchmal etwas … traditionell.«
»Etwas eigen«, verbesserte Maren grinsend.
»Wahrscheinlich hast du recht. Wie dem auch sei, der Zweite Weltkrieg ist seit über sechzig Jahren vorbei. Selbst mein Vater kennt den Krieg nur noch aus den lebhaften Erzählungen meines Großvaters.«
»Das Unterbewusstsein ist schwer zu durchschauen. Wer kann schon sagen, warum du diesen Traum hattest, als du zusammengebrochen bist?«
Peter blieb abrupt stehen und sah Maren fest in die Augen.
»Was?«, fragte sie ängstlich.
»Das war kein Traum. Das war ... etwas anderes ...«
3
Maren fuhr die Landstraße entlang und versuchte, sich nicht zu ärgern.
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