Seelentod
auf einmal. Es ist eines Abends passiert, als Hannah nicht da war. Simon wollte sie besuchen, aber sie war aufgehalten worden, und Jenny hat ihn zum Warten ins Haus gebeten. Hat ihm ein Glas Wein angeboten.» Sie zuckte die Schultern und hielt ihr Glas in die Höhe. «Schreckliches Zeug, der Alkohol.»
Sie blickte in die Runde und sah, dass sie sie alle am Haken hatte, sie lauschten wie Kinder bei einer Gute-Nacht-Geschichte.
«Simon hat sie geküsst», sagte sie. «Weiter nichts, und er hat sich auch entschuldigt, aber damit hat es angefangen. Jenny verliebte sich in ihn, und sie fingen eine Affäre an. Ihre Aufmerksamkeit hat ihm geschmeichelt, nehme ich an. Wieso auch nicht? Sie war immer noch hübsch. Sie haben sich einmal die Woche in Durham getroffen. Jenny wollte sowieso zu Mattie, um Material für ihr Buch zu sammeln. Zuerst ist sie also immer zu Mattie gegangen, aber nur kurz. Und ihre Besuche hatten zwei Gründe: Zunächst wollte sie Informationen für ihr literarisches Meisterwerk, aber sie fühlte sich auch besser, wenn sie nicht bloß in Durham war, um mit dem Freund ihrer Tochter zu vögeln. Sie hätte wirklich alles getan, um mit dem Kerl zusammen zu sein.»
Vera hielt inne und füllte sich das Glas nach, stellte sich vor, sie wäre Jenny Lister und würde die Stunden zählen, bis sie wieder mit Simon Eliot in dessen Studentenbude zusammen sein konnte. «Dann kamen die Schuldgefühle, wie immer.» Sie sah Ashworth an. «Das ist etwas Furchtbares, Schuldgefühle. Nicht jeder kann damit umgehen.» Wieder grinste sie.
«Aber warum hat Simon Eliot sie umgebracht?» Das mit dem Sex verstand Charlie ja, das merkte Vera, aber das mit der Gewalt wollte ihm nicht in den Kopf.
«Mensch, Charlie, jetzt lassen Sie eine alte Frau doch mal eine Geschichte in ihrer eigenen Geschwindigkeit erzählen.»
Vera hatte Taylor gebeten, die Whiskyflasche gleich auf dem Tisch stehenzulassen, und kippte jetzt noch einen Schluck in ihr Glas. Scheiß doch auf die Ärzte und das ganze gesunde Leben – heute Abend brauchte sie einen herrlichen Vollrausch.
«Während Jenny Lister sich also von ihrem jugendlichen Liebhaber den Kopf verdrehen ließ, hat Michael Morgan sich die süße kleine Freya geangelt. Der Altersunterschied ist etwa der gleiche, aber darüber, dass Jenny Simon vielleicht verdorben hat, machen wir uns offenbar keine Gedanken. Dann hat Jenny von Mattie erfahren, dass Freya schwanger ist, und so ist sie wieder in die Sache mit Morgan verwickelt worden. Das war alles ein bisschen zu nahe an ihrem eigenen Leben, nicht wahr? Auf einmal muss ihr aufgegangen sein, dass sie ja mit Matties Halbbruder rumvögelt …» Vera schloss halb die Augen und dachte über Fügungen nach, über den Zufall, dass Jenny Lister und Veronica Eliot im selben Dorf gewohnt hatten. Aber Northumberland war nun einmal die bevölkerungsärmste Grafschaft Englands, und in kleinen Gemeinschaften gab es überall solche Verflechtungen. «Sie entschied, dass es aufhören musste. Und weil sie hochanständig war und wirklich sehr dämlich, hat sie beschlossen, offen mit Hannah zu reden. Den Gedanken konnte Simon nicht ertragen. Hannah betete ihn an. Schließlich waren sie verlobt, das ist für ein so junges Paar eine gewaltige Verpflichtung.»
«Und wo kommt Danny Shaw ins Spiel?» Plötzlich wirkte Ashworth ungeduldig. Vielleicht hatte er ja eine SMS bekommen und heimlich unterm Tisch gelesen, von seiner Frau, die wissen wollte, wo zum Teufel er denn steckte.
Vera öffnete die Augen wieder und setzte sich auf. «Ah, Danny Shaw, unser Draufgänger und Charmeur. Und Dieb. Mit Jungs in seinem Alter ist er nie gut ausgekommen, hing lieber mit Älteren zusammen. Wenn ich mit dem Psychogefasel was am Hut hätte, würde ich ja vielleicht einen Konflikt mit seinem Vater diagnostizieren, aber zum Glück habe ich von dem ganzen Quatsch noch nie viel gehalten.» Sie schwieg kurz und versuchte, die Freundschaft zwischen Danny und Simon in Worte zu fassen. «Simon war alles, was Danny gern gewesen wäre: Er ist auf eine piekfeine Schule in der Stadt gegangen, sein Vater ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, und Simon war mit dem Mädchen zusammen, in das Danny verliebt war. Aber deswegen ist Danny nicht etwa stinkwütend auf Simon gewesen. Er hat den Älteren einfach nur bewundert. Verrückt.»
«Und?», fragte Ashworth. «Ich verstehe immer noch nicht, wieso er sterben musste.»
Der ältere Herr und die Dame in der Ecke standen auf und gingen, Hand in
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