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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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drängte sich so viel Volk zusammen, daß ich nicht durchkam und nichts sehen konnte. Auf einmal hörte ich einen Schrei und erkannte die Stimme von Fräulein Lydia und sah, daß Hogendahl sie in seinen Armen auffing und wie ein Kind zurücktrug. Ihr Gesicht war weiß wie Papier. Neben mir drängte sich Kapitän Maldonado vorbei, fluchend und mit den Ellbogen zur Seite drückend, was ihm im Wege war, in Don Saraivas Bibliothek hinein und machte so auch mir den Weg frei. Und da sah ich ihn.
    Don Saraiva saß an seinem Schreibtisch, an einem großen Schreibtisch aus schwarzem, matt schimmerndem Holz. Seine Arme und sein Kopf lagen auf der Tischplatte, und sein Körper war seitlich nach vorn gekippt. In seinem Schädel klaffte ein fürchterliches Loch, und neben seinen Händen glitzerte etwas, das wie ein goldenes Kreuz aussah oder wie ein zweischneidiges Doppelbeil, und es war besudelt und dunkel von Blut. Die Mordwaffe! Und als ich genauer hinschaute, da entdeckte ich, daß es der Messingbuchstabe von der >Kentucky< war!
    »Mord!« schrie jemand auf dem Achterdeck.
    Plötzlich fuhr es mir wie ein zündender Funke durch den Kopf, und ich brüllte: »Die Taucher!«
    Aber sie verstanden mich nicht. Niemand kapierte, was ich damit sagen wollte. Also raste ich nach vorn. Einige Leute kamen aus den Kojen herausgekrochen, schlaftrunken und fluchend, daß ihnen auf diesem verdammten Kahn nicht einmal in der Nacht Ruhe gegönnt würde.
    »Wo ist der Heini?« schrie ich sie an.
    »Wo wird er schon sein, Döskopp, auf Wache natürlich!« antwortete einer von ihnen.
    Aber der Platz am Ruder war leer. Ich rannte zum Bunker hinunter. Das Schloß war gesprengt. Der muffige Raum war stockfinster. Ich brüllte Heinis Namen in die Dunkelheit hinein.
    Drinnen stöhnte jemand. Es war mein Freund Heini, und er war verschnürt wie ein Ballen Baumwolle. Übers Gesicht und um den Mund hatten sie ihm einen stinkigen alten Fetzen herumgebunden und dabei wenig Rücksicht auf seine Atmung genommen. Ich zerrte ihn an den Beinen aus dem Bunker heraus und schnitt den Knebel mit meinem Taschenmesser durch, weil er mir womöglich unter den Fingern erstickt wäre, wenn ich lange an dem Knoten herumgefummelt hätte. Er war noch nicht ganz bei Atem, da kochte er schon vor Wut.
    »Diese Hunde, Pitt!« keuchte er. »Diese verdammten Hunde — der Neger voran, dieses schwarze Schwein!«
    Da kamen auch schon die anderen herbei. Nach dem Bericht, den der Heini dem Kapitän gab, hatte er also, als er sich dem Bunker näherte, um mal nachzusehen, ob mit den Tauchern alles in Ordnung wäre, jawoll, hatte er plötzlich aus der Dunkelheit heraus eins auf den Schädel geballert bekommen. Jawoll, genau so, und das sei denn auch alles, was er vermelden könne...
    Und wenn mir in der letzten halben Stunde nicht das Lachen so gründlich vergangen wäre, dann hätte ich jetzt vor Vergnügen laut gewiehert. Da war also der Heini wie der barmherzige Samariter persönlich mit dem Dietrich in der Hand heruntergeschlichen, um den Tauchern Gelegenheit zum >Rönnaweh< zu geben, während die Brüder den Krach an Bord schon längst dazu benutzt hatten, die Bunkertür zu sprengen, und nur noch darauf lauerten, der Wache eins übers Dach zu verpassen. Mit seiner menschenfreundlichen Absicht war der Heini ihnen genau in die Hände gelaufen, hatte vom Neger Nelson eins mit dem Knüppel über den Brägen bekommen und konnte noch von Glück reden, daß er nicht Don Saraivas Weg gegangen war.
    Ein Boot fehlte, und als die Scheinwerfer das Wasser absuchten, da war von den Tauchern natürlich keine Spur mehr zu sehen. Beraubt hatten sie Don Saraiva nicht, soweit sich das im Augenblick feststellen ließ. Und obwohl doch niemand an Bord den Mörder gesehen hatte, wußten alle, daß es kein anderer als der Neger Nelson gewesen sein konnte. Und daß er Don Saraiva gerade mit dem T von der >Kentucky< erschlagen hatte...
    »Das«, sagte Hogendahl später sehr ernst zu mir, »das hebt diesen Mord über das Maß von Menschenrache hinaus und ist fast so etwas wie ein höheres Gericht.«
    Und fast dasselbe, nur mit ein bißchen anderen Worten, sprach Jantzen aus, der Heizer mit dem religiösen Tick, von dem ich ja schon einiges erzählt habe. »Glaubt mich das eine, Jungens«, sagte der Jantzen zu uns, »das war kein gewöhnlicher Neger nicht! Hättet ihr dem mal die Stiebel ausgezogen, da hättet ihr den Pferdefuß gesehen. Dem Saraiva seine Frist war abgelaufen, der Höllenvertrag zu Ende.

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