Seepest
Fertigungshallen geführt, ehe er sie
mit der Inhaberfamilie zusammenbrachte. Zwar hatte sich CEO Erich Rottmann bereits nach wenigen Minuten wieder ausgeklinkt und mit ihm ein
weiteres Mitglied des Führungstriumvirats, Rottmanns Schwägerin Ulla
Gauß-Rottmann. Doch geblieben war Rottmanns Neffe, der überaus charmante wie
gut aussehende Alexander Rottmann, von seinen Freunden kurz Alex genannt, der
nicht nur das Amt eines Geschäftsführers bekleidete, sondern Biotecc zu dem Innovator in der Branche gemacht hatte, wie gut
informierte Insider Karin versichert hatten.
Schnell hatte ihr Alexander Rottmann die anfängliche
Befangenheit genommen. »Sie wollen Informationen, Karin – ich darf Sie doch
Karin nennen, ja? –, und die sollen Sie auch haben, und zwar aus erster Hand«,
hatte er gesagt und sie ohne Umschweife für den folgenden Samstag auf sein Boot
eingeladen. »Wir sind schließlich an einer guten Presse interessiert. Und wenn
wir schon miteinander reden, dann doch wenigstens in angenehmer Umgebung, oder?
Ich nehme an, Sie verstehen ein bisschen was vom Segeln?« Auf ihr zögerliches
Nicken hin hatte er gelacht. »Keine Angst, es kann Ihnen nichts passieren, ich
bin ja bei Ihnen. Und bringen Sie etwas Hunger mit. Es gibt Lammrücken in
Salbeikruste … oder stehen Sie eher auf etwas Deftigeres, zum Beispiel
Tafelspitz mit Rotkohl und Bouillonkartoffeln?«
Dazu hatte er sein charmantestes Lächeln aufgesetzt,
dieser Schuft – und natürlich war sie seinem männlichen Charme umgehend
erlegen.
Nervös hatte sie dem Samstag entgegengefiebert. Einer
seiner Mitarbeiter hatte sie mit einem Firmenwagen abgeholt und zum Boot
gebracht. Sie erinnerte sich noch gut an diesen Mann, weniger wegen seines
Namens – »Dieter Leschek« klang nicht gerade ausgefallen – als wegen seines
höflichen, zurückhaltenden Benehmens, auch wenn es in krassem Widerspruch zu
den dünnen blonden Haaren stand, die er streng nach hinten gekämmt und zu einem
Pferdeschwanz zusammengebunden trug. Und noch etwas hatte sich ihr eingeprägt:
Er zog ständig die Nase hoch.
Das Boot war eine Wucht gewesen. Mit seinem grünen
Rumpf und den grünen Segeln – im Farbton passend zum Biotecc-Logo – wirkte es
wie das verkleinerte Abbild der legendären »Alexander von Humboldt«, die
jahrelang im Dienste der Beck’s-Brauerei über das Meer und die Mattscheiben
flimmerte.
Bei recht steifem Südwind waren sie bis nach
Wasserburg gesegelt, vorbei an Meersburg, Friedrichshafen und Langenargen.
Direkt vor der Halbinsel hatten sie Anker geworfen, im Blickfeld die malerische
St.-Georgs-Kirche mit ihrem Barockzwiebelturm. Alex hatte es sich nicht nehmen
lassen, das Essen selbst aufzutragen. Später ging es, an Bad Schachen vorbei,
nach Lindau hinüber. Als Alex allen Ernstes einen Landgang mit Besuch der
Spielbank vorschlug, hatte sie energisch den Kopf geschüttelt. Lachend hatte er
gewendet und Kurs nach Überlingen genommen.
Kein Zweifel, Karin war beeindruckt – am meisten aber
von Alex Rottmann. Er hatte ganz offen um sie geworben, zumindest hatte sie es
so empfunden. Doch je mehr er sich ins Zeug legte, desto unsicherer wurde sie.
Sobald ein Gespräch auch nur entfernt ins Persönliche abzugleiten drohte,
führte sie es umgehend auf den eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit zurück: die
Recherchen zu ihrem Biotecc-Report. Da fühlte sie sich sicher, da konnte sie
mitreden.
Wie sich herausstellte, sprach Alex Rottmann viel und
gerne über die Erfolge »seines« Unternehmens. Und noch lieber über seine
Arbeit. Ein Projekt schien ihm besonders am Herzen zu liegen: die Entwicklung
eines Präparats, mit dem sich die verheerenden Folgen von Ölunfällen
erfolgreich bekämpfen ließen. Und genau das war der Grund, warum sie ihn jetzt,
nach dem Schiffsuntergang vor der Mainau, dringend sprechen wollte.
Die verhängnisvollen Folgen von Erdöl und dessen
Derivaten, die in größeren Mengen in ein Gewässer gelangten, waren allgemein
bekannt. Mindestens ebenso bekannt war aber auch, dass es dagegen bis heute
kein wirkungsvolles Gegenmittel gab. Oder vielleicht doch? Alex hatte ihr
gegenüber erwähnt, dass die Entwickler bei Biotecc bereits einige
vielversprechende Versuche durchgeführt hatten. Vielleicht war das Zeug ja
schon einsatzbereit, und es fehlte nur noch ein geeigneter Testfall?
Der einzige Weg, es herauszubekommen, führte über Alex
Rottmann. Wie würde er reagieren, wenn sie ihn darauf ansprach? Flüchtig rief
Karin sich das Ende
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