Seepest
wettzumachen.
»Ihr könnt uns nicht wegschicken, dafür habt ihr keine
gesetzliche Handhabe«, bellte er zu ihnen herüber, während der hinter ihm
stehende Fotograf pausenlos auf den Auslöser drückte. »Die Öffentlichkeit hat
ein Recht darauf, zu erfahren, was hier vorgeht. Oder soll da etwas vertuscht
werden?«
»Soso, die Öffentlichkeit. Wie selbstlos!«, dröhnte
Horvath ironisch. Der Vorwurf der Vertuschung schien an ihm abzuprallen. Ruhig,
aber bestimmt wandte er sich an den dritten Mann, der scheinbar unbeteiligt
hinter dem Ruder stand und dem vermutlich das Boot gehörte. »Ich fordere Sie
noch einmal auf, sich unverzüglich zu entfernen. Sie behindern polizeiliche
Ermittlungen. Falls Sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, wird das
Konsequenzen für Sie haben.«
Der Mann am Steuer hatte verstanden: Als Bootseigner
hätte er die Folgen auszubaden. Das schien ihm der nächtliche Ausflug nicht
wert zu sein, mochte man ihn auch noch so gut bezahlen. Mit einem
Schulterzucken drehte er am Steuerrad und zog den Gashebel raus, schon setzte
sich das Boot in Richtung Überlingen in Fahrt.
Der Reporter bekam einen roten Kopf. »Das ist Willkür,
ist das, reine Willkür!«, brüllte er zu ihnen herüber, kaum dass er das aus
seiner Sicht schmähliche Einknicken des Bootsbesitzers bemerkt hatte. »Ich will
sofort Ihren Namen wissen. Was Sie machen, ist Beschneidung der Pressefreiheit!
Hier ist offenes Seegebiet, hier können wir uns aufhalten, solange wir wollen.
Am besten, Sie machen sich schon mal auf eine saftige Dienstaufsichtsbeschwerde
gefasst …« Der Rest des Satzes ging im Lärm des aufheulenden Bootsmotors und im
Rauschen von Wind und Wellen unter.
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, rief ihm
Horvath noch hinterher.
»Wo er recht hat, hat er recht – und das weißt du
auch«, brummte Wolf.
»Natürlich weiß ich das«, antwortete Horvath ungewollt
scharf, »aber was soll ich tun? Vor einer Stunde erst habe ich den
diensthabenden Staatsanwalt erreicht. Er wollte sich das nächstbeste Boot
schnappen und herauskommen. Und? Kannst du ihn sehen? Das Gebiet hier gehört
gesperrt und Ölalarm ausgerufen … Soll ich das etwa auf meine Kappe nehmen?«
»Ja, ja, die Staatsanwälte! Immer wenn du schnell
einen brauchst, bist du verratzt. Ich höre jetzt schon den Aufschrei der
betroffenen Bootsbesitzer, wenn wir diesen Seeabschnitt als gesperrt erklären …«
»Auf keinen Fall ohne Rückendeckung von oben, denn
spätestens dann dürfte es hier vor Gaffern nur so wimmeln.«
»Wie weit ist die Feuerwehr?«
»Die haben zur Insel hin Ölsperren errichtet. Ob’s was
bringt, steht auf einem anderen Blatt. Wir stehen vor einer völlig neuen
Situation, schließlich gab es einen Ölteppich dieses Ausmaßes am Bodensee noch
nie. Zum Glück hat der Wind inzwischen gedreht, das verschafft uns wenigstens
eine kleine Verschnaufpause. Was danach kommt, steht in den Sternen.« Aus
Horvaths Miene sprach höchste Besorgnis.
Wolf dämmerte erst allmählich, was er damit sagen
wollte. »Ihr versprecht euch nichts mehr von dem geplanten Helikoptereinsatz,
stimmt’s?«, fragte er stirnrunzelnd.
Der Schiffsführer zögerte mit seiner Antwort. »Wenn du
meine persönliche Meinung hören willst: Für mich ist das allenfalls eine
Alibiaktion, nicht mehr. Vor zehn Minuten hat die Einsatzzentrale die Katze aus
dem Sack gelassen: Sie haben nichts, was den Ölfilm effektiv neutralisieren
könnte – und schon gar nicht in der benötigten Menge.«
***
Auch
während der Heimfahrt nach Überlingen hatte Karin versucht, Alexander Rottmann
über seinen Privatanschluss zu erreichen. Vergeblich. Ohne sich auszuziehen,
war sie in ihrer Wohnung aufs Bett gefallen – und von einer Sekunde auf die
andere eingeschlafen.
Unruhig hatte sie sich hin und her gewälzt, bis sie,
von wirren Träumen geplagt, in die Höhe schreckte. Benommen starrte sie auf die
Leuchtziffern ihres Weckers: kurz nach fünf. Also hatte sie nicht mal zwei
Stunden geschlafen. Sie machte Licht, um aufzustehen, als ihr die Ereignisse
der vergangenen Nacht wieder einfielen. Was mochte da draußen auf dem See
inzwischen passiert sein? Hatte die Feuerwehr die Katastrophe noch einmal
abwenden können, oder war gegen die Ölpest tatsächlich kein Kraut gewachsen?
Hatte sie die Mainau bereits erreicht? Erneut kam ihr Biotecc in den Sinn. Ohne
lange zu überlegen, griff sie zum Telefon und drückte die Wahlwiederholung.
Noch immer nichts! Der Ruf ging zwar
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