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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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ihrer »Beziehung« in Erinnerung – falls man ihre
Bekanntschaft überhaupt so nennen konnte. Sie hatte während des Segeltörns die
Nasszelle unter Deck aufgesucht und war bei der Suche nach einem Toilettentuch
in einer Schublade auf Lippenstifte, mehrere Damenslips und einen Tanga
gestoßen, in trauter Gemeinschaft mit einer reichhaltigen Auswahl an Präservativen.
Hatte sie Alex anfänglich noch zugutegehalten, das Zeug könne von Gott weiß wem
stammen – ziemlich sicher wurde das Boot auch von anderen Mitgliedern des
Rottmann-Clans benutzt –, so wurde sie bereits einen Tag später eines Besseren
belehrt. Mehr oder weniger zufällig beobachtete sie, wie Alex Rottmann in
Begleitung zweier gut gebauter und äußerst sparsam bekleideter Blondinen die
Jacht bestieg und mit ihnen in aller Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschte.
    So schnell sie anfänglich seinem Charme erlegen war,
so schnell fand sie danach in die Realität zurück. Der Kerl war jedenfalls
nicht nur ein arrivierter Unternehmer, sondern ganz offensichtlich auch ein
erfolgreicher Frauenheld. Tapfer hatte Karin ihre Enttäuschung
hinuntergeschluckt und sich in ihre Arbeit gestürzt. Vier Tage später war ihr
Artikel über Biotecc erschienen, und sie hatte sich bei seinen zahlreichen
Anrufen betont reserviert gegeben – so lange, bis sein Interesse schließlich
erlahmt war. Natürlich ließen sich in den Wochen und Monaten danach
gelegentliche Treffs nicht vermeiden, dazu waren beide zu stark in der
Öffentlichkeit engagiert. Zu mehr als einigen belanglosen Worten war es dabei
jedoch nicht gekommen.
    Doch merkwürdig: Je mehr sie ihm die kalte Schulter
zeigte, desto stärker schien er zu entflammen.
    Wie würde er wohl auf ihren Anruf reagieren? Der
Gedanke daran brachte sie wieder in die Gegenwart zurück. Noch einmal ging sie
ihr Telefonverzeichnis durch. Zu ihrer Überraschung wurde sie diesmal fündig –
und bekam prompt einen roten Kopf: Seine Telefonnummer war weder unter
»Biotecc« noch unter »Rottmann« oder »Alex« gespeichert. Sie hatte sie – wie
peinlich – unter »Lexi« abgelegt.
    Sie sah auf die Uhr. Zwei Stunden nach Mitternacht …
eine zutiefst unchristliche Zeit, um jemanden anzurufen, zumal wenn es sich bei
dem Angerufenen um einen zurückgewiesenen Liebhaber handelte. Schnell schob sie
ihre Bedenken jedoch beiseite. Hier ging es ja wohl um etwas mehr als
verschmähte Liebe! Und sollte Alexander Rottmann sich die Störung seiner
Nachtruhe – Karin bezweifelte, dass er diesen Begriff überhaupt kannte –
verbitten, dann hatte sie es wenigstens versucht. Sie könnte sich in dem Fall
am Morgen immer noch an eines der Biotecc-Labors oder an die Vertriebsabteilung
wenden und sie mit Verweis auf die prekäre Lage vor der Mainau um Mithilfe
bitten – falls die sich überschlagenden Meldungen in Presse und Rundfunk das
bis dahin nicht längst besorgt hatten.
    Sie wählte Alex’ Nummer. Es klingelte und klingelte.
Doch niemand hob ab.
    ***
    Karin
Winters Voraussage hatte sich als zutreffend erwiesen: Bis fünf Uhr wurden
nicht weniger als sechs Boote mit Medienleuten aufgebracht; einige von ihnen
konnten erst nach heftigen Wortwechseln und unter Androhung einer Strafanzeige
zur Umkehr bewegt werden. Natürlich fotografierte und filmte die hartgesottene
Reportermeute trotzdem auf Teufel komm raus, ohne dass die Polizisten etwas
dagegen hätten unternehmen können – noch war der Seeabschnitt ja nicht
offiziell gesperrt.
    Mitten in diesem Trubel erwachte Wolf aus seinem
traumlosen Schlaf. Zwar fühlte er sich – dank schmerzender Gelenke und
verspannter Muskeln – anfangs wie gerädert, doch konnte er, anders als zuvor,
nun wieder klar denken und sich artikulieren. Ein Becher Kaffee, den ein
mitfühlender Kollege ungefragt vor ihm abstellte, tat ein Übriges; überdies
wärmte er Wolfs klamme Finger.
    Horvath hastete an ihm vorüber. »Na, Leo, wieder unter
den Lebenden?«, rief er ihm zu, ehe er durch die Tür nach draußen verschwand.
    Wolf hielt es nicht mehr länger auf seinem Platz,
schnell trank er seine Tasse leer und folgte ihm. An Deck könnte er sich eine
Gitanes anstecken – da fiel ihm ein, dass er damit vielleicht das ganze Boot in
die Luft jagen würde.
    Er platzte mitten in eine Auseinandersetzung, die
Horvath vom Vordeck aus mit einem besonders hartnäckigen Reporter führte. Was
dem glatzköpfigen Zeitungsmann an körperlicher Statur fehlte, versuchte er
durch Lautstärke und wilde Gestik

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