Seeteufel
sauberer, schulmäÃiger Schrift, die auf keinerlei
seelische Erregung schlieÃen lieÃ, hatte der Schreiber drei kurze Worte auf das
Papier gesetzt: »Verzeih mir, Sonja.«
»Nicht gerade viel«, kommentierte Jo. »Könnte Sonja
seine Frau sein?«
»Keine Ahnung. Vergesst nicht: Wir sind auch erst seit
einer halben Stunde hier.«
»Schon gut, wir recherchieren das«, winkte Wolf ab.
»Ich nehme an, wir können seine Sachen mitnehmen, oder? Vermutlich seid ihr
froh, wenn die kriminaltechnische Untersuchung bei uns in Ãberlingen
durchgeführt wird.« Mit dem Anflug eines Lächelns versuchte er, der Situation
jeden Anschein von Rivalität zu nehmen. »Aber vielleicht können wir uns das ja
sogar sparen, je nachdem, was der Doc feststellt.« Damit drehte er sich um und
ging auf die Ãrztin zu.
»Moment noch«, warf Jo hastig ein und fragte den
Konstanzer Kollegen: »Habt ihr sein Fahrzeug gefunden?«
Der schüttelte den Kopf. »Sieht so aus, als wäre der
Mann zu Fuà gekommen. Jedenfalls steht weit und breit kein herrenloser Wagen.«
»Irgendwelche Umstände, die aus deiner Sicht auf etwas
anderes als Selbstmord hindeuten?«, fragte Wolf.
»Bis jetzt nicht. Alles spricht dafür, dass Ploc
allein war, dass er auf den Campinghocker stieg, sich die Schlinge um den Hals
legte und danach den Hocker umstieÃ. Was wir nicht wissen, ist, warum er es tat. Das rauszukriegen ist jetzt eure Sache.«
Inzwischen hatte sich die Ãrztin erhoben und war zu
ihnen rübergekommen. Sie bestätigte die Einschätzung des Beamten: »Eindeutig
Suizid, keinerlei Hinweis auf Fremdeinwirkung, soweit ich das hier feststellen
kann.« Sie griff nach einem Formular. »Geht die Leiche nach Konstanz oder nach
Ãberlingen?«
»Ãberlingen, Pathologie im Kreiskrankenhaus«,
antwortete Wolf und wischte sich den Schweià von der Stirn. Sie verabschiedeten
sich und gingen zu dem Wagen zurück, der sie hergebracht hatte.
Sie waren erst wenige Meter gefahren, als ihnen auf
dem Waldweg ein marineblauer Sportwagen entgegenkam und sich forsch zwischen
ihnen und den Bäumen hindurchzwängte.
»Stopp!«, rief Wolf dem Fahrer zu und bat ihn,
zurückzustoÃen. Eine nicht mehr ganz junge, aber immer noch attraktive Brünette
kletterte eben aus dem Flitzer. Sie trug eine Tasche über der rechten Schulter
und versuchte, möglichst unauffällig eine kleine digitale Kamera dahinter zu
verstecken. Für Wolf jedoch nicht unauffällig genug.
»Sieh an, die Presse«, rief er durch das offene
Fenster. »Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, Frau Winter. Hier gibtâs
absolut nichts, was Sie interessieren könnte.«
»Darüber gingen unsere Ansichten schon immer etwas
auseinander, Hauptkommissar Wolf.«
»Woher wissen Sie eigentlich, dass wir hier sind?«
»Ein Vöglein hat es mir zugezwitschert«, antwortete
die Journalistin augenzwinkernd.
Wolf lag eine scharfe Antwort auf der Zunge, doch er
schluckte sie hinunter. »Hat der âºSeekurierâ¹ es bereits nötig, sich um
Familientragödien zu kümmern? Diese Leute haben nicht verdient, dass man ihr
Unglück an die Ãffentlichkeit zerrt.«
»Könnte es nicht sein, dass Sie den Fall falsch
einschätzen, Herr Wolf?«
»Es gibt keinen Fall. Und jetzt muss ich Sie bitten,
wieder zurückzufahren.«
»Tut mir leid, aber ich sehe hier keine Absperrung,
also kann ich auch weitergehen.«
Wie um ihre Absicht zu unterstreichen, ging sie ein
paar Schritte auf den mittlerweile zugedeckten Leichnam zu und brachte ihre
Kamera in Schussposition. Plötzlich stand einer der Uniformierten vor ihr. Mit
ausgebreiteten Armen drängte er sie zurück.
»Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da tun«, fuhr sie den
Beamten an. Im Zurückweichen warf sie noch einmal einen Blick über die
Lichtung, als wolle sie sich alle Einzelheiten einprägen.
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